Auch im Jahr 3000 fuhr ich wieder nach
H e i d e l b e r g !
Früh morgens um acht radelte ich nach minutiöser Vorbereitung los Richtung Karlsruhe, beladen mit 12 Liter Erfrischungsgetränk.
Jenes war bald erreicht und schon durchfuhr ich den Hardtwald Richtung St. Leon.
Nach langen Stunden Fahrt kam ich schließlich wie sonst auch über die Speyerer Straße nach Heidelberg herein.
Neckarwiesen!
Wer mich einmal kennenlernte, weiß: ich empfehle sie.
Von der Heuss-Brücke war noch eine schöne Platzauswahl zu erkennen, und ich übte diese sogleich aus.
Ich aß ein Snickers und eine Schachtel Kirschen.
Der Himmel wurde gerade angenehm, indem die Sonne verblasste.
Ich kühlte köstlich.
Bald aber wurde der Himmel unangenehm, indem die Kühle zu einem Unwetter schwoll.
Ich beschloß zu bleiben, bis der erste Tropfen fiel. Doch im Moment dieses Beschlusses fiel auch schon der erste Tropfen.
Hurtig packte ich mein Bündel, und ich schob mein Fahrrad unter die Brücke, um dort noch den schönsten Unterstand zu belegen.
Bald war die Brücke voll belegt, denn mit den Donnerschlägen löste sich das Neckarwiesen-Leben in eiliger Flucht auf.
Das Unwetter war recht beeindruckend, und die Flüchtlinge unter der Brücke mußten sich aneinander festhalten, um nicht vom Sandsturm weggeweht zu werden.
Nach einem gründlichen Gewitter stand zwar draußen noch Vieles, aber der Rasen war nicht mehr zu gebrauchen.
Ich rollte mein Rad durch die Lachen nach oben, sah noch einmal auf mein zerstobenes Fahrtziel herab, und schon holte ich Schwung für eine genußreiche Heimfahrt.
Obschon die Witterung nun geradezu köstlich war, trat ich doch recht schwer. Der Weg im Hardtwald war auch böse aufgeweicht und überall lagen Trümmer.
Nach Kilometern schweren Tretens fiel mir in der Schelmeneckallee auf, daß der Reifen platt war.
Ich schrie herum, aber keiner konnte es hören: der Wald war ja leer.
So lief ich zu Fuß die ewige Schelmeneckallee herunter bis zum Kriegbach, wo ich die Reparatur durchzuführen gedachte.
Ich baute das Fahrzeug ab, nahm Rad und Reißnagel heraus, und begann die Reparaturhandlungen.
Nebenher aß ich ein Snickers und ein Red Bull.
Das Reparieren verlief gut, aber es war sehr dreckig, weil das Fahrrad im nassen Wald ziemlich verschlammt war.
Bald war das Fahrzeug wieder aufgeladen und ich konnte meine Reise fortsetzen.
Leider konnte ich meine Reise nicht fortsetzen, da der Reifen alsbald wieder platt war.
Ich schrie, doch es hörte keiner.
Sollte ich das Fahrzeug schon wieder auseinandernehmen?
Ich hatte kein einziges feuchtes Tuch mehr für meine Finger.
Ich sah mir den Fall sehr scharf an.
Da hörte ich Fahrräder.
Hinter mir stoppten sie. Ein älteres Ehepaar.
Ich sah die beiden sehr böse an und rief herüber, ob s i e den Reißnagel ausgestreut hätten.
Schon waren sie abgestiegen und kamen interessiert näher.
Ein leibhaftiger Platten im Walde ist doch erheblich besser als 4000 Tote im Fernsehen.
Nach etwas Diskussion über das Plattwerden, offenbarten mir die beiden, sie hätten in ihrem Korb Pannenspray dabei.
Schon hatte ich es in der Hand und studierte die Instruktionen.
Diese zeigten sich interpretierbar und die nunmehr 3 Beteiligten waren sich auch nicht einig, in welcher Weise das Pannenspray in das Fahrrad einzubringen sei.
Also drehte ich hier und drückte da, und schon stob weißer klebriger Schaum in den Platten, welcher alsbald erhärtete.
Beim Abnehmen der Vorrichtungen stob der weiße klebrige Schaum dann wieder heraus und alles, 2 Rentner, 1 Radfahrpilot, 1 Fahrrad, 1 Wiese und bald auch der Kriegbach waren voll weißem klebrigem Schaum.
Auch das Ventil war weggeflogen.
Das ältere Ehepaar erreichte einen leicht panischen Zustand, der durch beruhigende Gesten meinerseits unterhalb der Eskalationsschwelle gehalten werden mußte.
So zauberte ich noch ein Ersatzventil aus meinen Sortimenten, schraubte es ein und pumpte.
Die Unterhaltung konnte einstweilen fortgesetzt werden, denn es dauerte eine Weile, bis die Dichtigkeit des schaumgarnierten Rads beurteilt werden konnte.
Die Herrschaften gaben einem günstigen Ausgang ohne ihren Schaum keine Chance.
Insbesondere als ich bekanntgab, wohin die Weiterreise führen sollte, nahmen sie heftigen Anteil an meinem Schicksal. Vielleicht könne ich ja im Wald irgendwo übernachten?
|
Indem der Reifen einem mittleren Druck standhielt, wurde ich das ältere Ehepaar wieder los, da ich einpackte und wegfuhr.
Die leere Sprühdose nahm die Dame mit, bevor sie im Wald herumläge.
Leider hatte das Pannenspray eine erhebliche Unwucht verursacht, da im Augenblick des Sprühens der Reifen nicht gerichtet war. Übertriebenen Komfort wollte ich heute aber nicht mehr beanspruchen.
Voll neuem Ansporn und in der Hoffnung, nunmehr mit viel Druck im Pneu nach hause zu kommen, radelte ich nach Graben und dort in den Hardtwald, nicht ohne regelmäßig einmal nach unten auf die Lauffläche zu sehen.
Die Grabener Allee ging aber wieder schwer. Nachlassende Kräfte, dachte ich voller Zweifel an meiner Zähigkeit.
Ein beherzter Griff in den Lenker ergab ein anderes Bild:
Vorne auch platt.
Nein - und ich war schon hoffnungslos aus der Zeit !
Ich lehnte mein Fahrzeug an den nächstgelegenen Holzstoß und trank erstmal ein Schluck. Dazu ein Landjäger.
Mit kritischem Blick auf die aktuelle Uhrzeit und meinem Fehlbestand an feuchten Tüchern für die Finger beschloß ich, dieses Malheur ersteinmal durch Nachpumpen abzustellen.
Das genügte zwar vorerst, aber ich pumpte noch oft nach.
Dafür enthielt diese Fahrt einen besseren Kräftigungseffekt, weil die Widerstände mich ganz schön Schweiß kosteten.
In Karlsruhe endlich an der Pulverhausstraße war die Absolutheit des Defekts nicht mehr wegzupumpen und ich mußte in der späten Abenddämmerung auf der Stelle das Vorderrad erneuern. Zur Stärkung aß ich erst einmal ein Snickers.
In guter Routine klebte ich mein Plaster auf den Pneu und schon 30 Minuten später war ich wieder aufgesattelt und unterwegs nach Malsch.
Nun war auch noch das Vorderrad unwuchtig und der Dynamo lief auch nicht mehr, weil der Reifen nicht gerichtet war.
Ich lehnte mein Fahrzeug an einen Poller am Damm ('Vorsicht Gas') und richtete den Dynamo. Kaum saß ich wieder im Sattel, merkte ich, wie meine Füße merkwürdig vom Pedal rutschten.
Also wieder abgestiegen. Man sah zwar kaum noch was, aber daß meine Zierpedale zugeschmiert waren mit einer scheisse-artigen Masse, das erkannte ich.
Die hing ja auch an meinen Schühchen.
Man konnte den Lehm gar nicht recht abbekommen mit den spärlichen Mitteln, die ich noch dagegen anwenden konnte.
So rutschte und polterte ich mit polternden und halbplatten Rädern durch den abendlichen Hardtwald nach Malsch, wo ich in rasender Fahrt noch 1 Landjäger und 1 Hanuta aß, außerdem 1 Red Bull. Wollte es nun auch zu regnen anfangen? Nein, nur 1 Tropfen, sprach der Himmel.
Mein Bein spürte ich schon einige Zeit nicht mehr, aber der restliche Weg bis Favorite wurde trotzdem lang.
In Kuppenheim, das still in der Nacht lag, klapperte ein Ast oder sonstiges Trümmerteil gegen die Speichen, wie ich hörte.
Kuppenheim ist ein dunkler Ort, doch ich fand eine Laterne, um das Fahrwerk zu inspizieren.
Das Trümmerteil war mein Funktelefon, das ich auf Langstrecken mitführe, um eventuell die Feuerwehr oder andere Hilfsdienste zu informieren.
Darüber klaffte ein großer Schlitz in meiner Radtasche, durch den wohl bereits einiges anderes Gerät auf meinen Fahrweg herabgeregnet war.
Beruhigenderweise hatte ich vorgesorgt und vor der Abfahrt einen Reserveschlüssel im Treppenhaus deponiert.
Favorite - wonniger Rastplatz immerdar.
Ich parkte vor der Cour und räumte die Tasche aus. Viele Utensilien fand ich noch darin enthalten. So konnte ich mich noch einmal umziehen.
In der Orangerie tobte ein Polterabend.
Ich aß 2 Müsliriegel, mehrere Frittstreifen, die ich fand, und trank ein Apfelschorle.
So gestärkt trat ich zum letzten Gefecht.
Humpelnd mit surrendem Stromerzeuger fuhr ich Richtung Oos, als ein blitzartiger Regenguß noch meiner habhaft wurde.
Mein neues Hemd sowie alle anderen Ausrüstungsgegenstände wurden rettungslos überschwemmt von warmem Regen, welcher alles Unglück gnädig mit sich riß.
Auch das Licht verlosch nun, da der Stromerzeuger auf dem ungerichteten Rad nicht mehr den rechten Kontakt zu finden vermochte.
Oos erreichte ich zu Fuß.
Aber der Platzregen verleitete mich, auch ohne Licht die Rheinstraße ins Centrum per Rad zu nehmen, wo ich kurz nach Mitternacht eintraf.
|