Karlsruhe - Afrika

Barbara, Barbara,
komm doch mit nach Afrika,
wo die kleinen Negerlein noch tanzen Ringelreihn.

Barbara, Barbara,
kennst du noch nicht Afrika ?
Dann ist es die höchste Zeit!
Komm mit, es ist nicht weit.

Barbara, Barbara.
komm mit mir nach Afrika,
Wo der Swing geboren ist,
und wo man schwarz nur küßt.

1.

Im Schwitzbad nachmittags. Männertag
Zwei ruhegesetzte Herrn schmoren bei 90°.

"..un dann simmer an der Küschde, woisch, do..; hä, wie hoißt jetz der Ort do am Suesskanal, isch des, hä .."
"Suess?" "-noi.., um Goddes Wille.." ".. ? - Alexandria?" "Noi, noi! Des isch... Bord Said.." "..hajo.." "ewwe. Do hämmer dann an de Oifahrd vom Ganal denn Kreuzer gsäh, denn englische, gell; un denn hawwe se, die U-Boode, net jetzt abgschosse, woisch, awwer der hat nimmeh fahre kenne, der isch nimeh weider gekomme, gell. Un dann de Rommel, der isch.."
"Jah.., des sin halt die alde Gschichte, die alde.."
Das war genug. Die Zuhörerschaft flüchtete, ohne sich umzudrehen.

Generalfeldmarschall Rommel, jäh in seinem Wortflusse unterbrochen, saß unzufrieden auf dem mittleren Rang und blickte eine Weile dem Rinnsal von Schweiß hinterher, das sich zwischen seinen Füßen auf die Roste ergoß.
Damit würde auch er es bewenden lassen. Mühselig und vor Hitze keuchend stellte sich der Feldherr auf und rutschte auf seinem Schweißtuch ganz langsam an die Kante des Bänkleins, die hinabführte in den absudgetränkten Grund der Schwitzkammer.
Gewaltig mit seinen zittrigen Ärmchen ausholend, setzte er an, in diesen Abgrund hineinzufahren. Sein von Wohlleben entfugter Leib geriet dabei in die allerlabilsten Zustände.
Endlich landete er klappernd auf den hölzernen Bodenrosten, schnappte nach dem Tuche und verschwand.



2.

Ein Fries von Seerosen umfaßte den Saal.
Darüber wucherte ein blau grundiertes Naturpanorama ganz aus Majolika. Allerhand Vogelgetier bewohnte dieses Wandbild blühender Ranken und großer gelber Blumen. Libellen saßen auf schwimmenden Blättern, ein Eidechs wärmte sich.
Ja, hier war es erbärmlich heiß. Der Boden glühte. Ein Oberlicht in Form eines Achtecksterns von satiniertem Glas spendete vornehme Helligkeit. Jede Stimme, jeder Gang der Tür wurde durch den Widerhall des Gewölbes enorm verstärkt, und doch verloren sich die Geräusche, vielfach zurückgeworfen, unkenntlich im Saal, dem so ein stetes Echo innewohnte.

Bald wurde uns unwohl, wir standen auf von unserer hölzernen Liege und begaben uns durch einen voluminösen Vorhang in einen kleineren, ähnlich dekorierten Raum, in dem es noch heißer war, und alles eine stechende Wärme aussandte.
Das Kreuzgewölbe war von glattem Steinzeug ausgekleidet, während die Wände mit Reliefkacheln in arabesker Manier belegt waren. Auch hier waren unterhalb des Gewölbes Naturszenerien aus Majolikafliesen angebracht.
Das Gewölbe selbst ruhte auf dunkelmarmonen Lisenen, die von vergoldeten Halbkapitellen abgeschlossen wurden.
Kaum ertrugen wir die unsägliche, trockene Glut. Wo unsere blanke Haut die Lattung des Gestühls berührte, entsprang ein heftiger Schmerz.

Wir entsannen uns an einen fernen Tag, als wir bei Direktor Ue. zum Kuchen geladen waren.
Dieser, eine rot-blau-grün marmorierte Rezeptur, war Direktor Ue. anläßlich seines 65. Geburtstags von Untergebenen gestiftet worden.
Morgens gab es ein Ständchen im Kostüm zylinderbewehrter Honoratioren, auch eine goldene Ehrung wurde überreicht.
Wohl zur Verhöhnung des Ue., denn auf nichts wartete die ganze Anstalt sehnlicher, als auf die Pensionierung des ungeliebten Direx, der, seit 9 Jahren inthronisiert, freiwillig niemals sein Amt herausgegeben hätte.
Nun, mit seinem 65-Jährigen würde die zwangsweise Zurruhesetzng unausweichlich.
Ue. war jedoch sehr geschmeichelt und erkannte die Perfidie nicht.
So wurde die Gratulations-Abordnung herzlich in den Empfang des Direktors gebeten, wo Kaffee ausgeschenkt und der Farbenmarmor angeschnitten wurde.
Man saß ungezwungen in den Fauteuils, die sonst wichtigen Besuchern der übergeordneten Behörden vorbehalten waren. Ue. distanzlos in der Mitte der Runde, sich ganz der Aufmerksamkeit für seine Person hingebend.

Ja, so meinte er, das erfreue ihn, diese überschwengliche persönliche Gratulation, gewissermaßen am Gipfelpunkt seiner Laufbahn.
Die Anfänge - bescheidener hätten sie nicht sein können. Sie lagen, man wußte darum, im Dunkel der deutschen Vergangenheit.



In schwieriger Zeit ergriff er den Lehrerberuf.
Er war bestimmt, wie er wußte, der Jugend ihren Weg zu weisen. Das zweite Staatsexamen habe er gerade noch ablegen können, doch dann: Afrika.
Ja, er habe sich freiwillig zum Rommel gemeldet, die Einziehung sei sowieso unvermeidlich gewesen.
Der Rommel, das sei damals ja der Traum vieler gewesen: einmal hinauskommen aus dem engen Badnerland und die Welt sehen.
Wie gut das gelaufen sei, bei der Rückeroberung. Die Kameradschaft!
Direktor Ue. war mit glänzenden Augen bei der Sache.

Rundum saßen mit gespitzten Ohren die Jungs und Mädeln, die sonst auf keiner Demo fehlten. War das spannend !
Die Wüste lebte auf in den Erzählungen des Ue., der seinen Stoff in den funkelnsten Nuancen auszubauen wußte.
Dazu reichte man rot-blau-grünen Marmorkuchen.

Uns wurde unsagbar heiß.
Aus dem Scheitel der Kuppel wuchs ein auf der Spitze stehender Würfel in den Schwitzraum.
Rasch schlupften wir in unsere Klapperlatschen und verschwanden.

3.

Johlend rieb sich die Versammlung Eiswürfel an die empfindsamen Stellen. Danach wurden Zitronenstücke zum Verzehr gereicht. Es war sehr voll und sehr heiß.
Ein Sud von schlechtem Schweiß, Wasser, und den ausgebissenen Resten der Südfrüchte bedeckte die Bänke.
Die Patienten lärmten aus Leibeskräften gegen die unbarmherzige Hitze an. Endlich verließen die ersten die heiße Kammer, bis sich die restliche Besatzung im Sog dieser Unstandhaften der Flucht anschloß.
Im Innenhof der Bäder, wo die Lautstärke anschwoll, wie sie im Inneren abnahm, traf man sich beim Abkühlen wieder.

Auf diesem Wege, der von Schwindel, mangelhaftem Gleichgewicht und heftiger Nach-Transpiration geprägt war, wankten die Patienten am Tresen des Badewärters vorbei.
Dort, auf dem nach innen gewandten Tableau, lag ein fetter Ringordner zur Einsichtnahme aufgeschlagen.
Er zeigte in wohldisponierter Reihung Späh-, Jagd-, und Transportpanzer mit riesigen Fahrwerken, die Ketten mit Schaufeln für Sandfahrt versehen.


Karlsruhe-Afrika


© Rainer Jehl