Mit meiner Grundschullehrerin, Frau Merkel, verband mich eine herzliche und oft angenehme Feindschaft.
Frau Merkel befand, der kleine R. sei ein manchmal noch zu impulsives Kind. Immer krakelte er mit seinen bunten Filzstiften irgendwelche 'A's und 'O's wohin, wo sie nicht hingehörten. Auch fanden sich Darstellungen von Fischen und Dackeln und Fluggerät an dafür nicht vorgesehenen Orten, und im Basteln ging seine erstarkende Schaffenskraft sowieso mit ihm durch.
Frau Merkel rächte sich für diese Fehlleistungen bald mit einem 'Schrift muß noch gleichmäßiger werden' und einem 'Betragen: befriedigend' im Klassenzeugnis der ersten Klasse der Freiherr-von-Drais-Schule zu Karlsruhe-Mühlburg.
Dann aber gewann die Weltgeschichte die Oberhand über das Schulgeschehen in Frau Merkels Klassenzimmer im Pavillion:
Mondlandung !
Sie stand kurz bevor.
Natürlich war am Mondlandetag schulfrei für die possierlichen kleinen Draisschüler (so wurden sie genannt !), damit alle zuhause am Fernsehen gucken konnten, wie die Mondrakete landet und die possierlichen kleinen Mondmännchen auf dem Mond herumlaufen würden.
Das war ja ganz ganz klasse!
Aber wie würde es wohl aussehen da oben auf dem Mond?
Man konnte es ja nicht wissen, ehe man nicht dort gewesen wäre und nachgesehen hätte.
So, sagte Frau Merkel, es ist Heimatkundestunde,
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jetzt nehmt ihr mal alle euren bunten Filzstifte und malt auf euer Papier, wie es auf dem Mond aussieht, wenn die Rakete landet.
Das mochte ich gleich, denn Malen mit den bunten Filzstiften war viel besser, als mit dem blöden Wasserfarbenkasten, wo die Farben immer auf dem Papier wegschwimmen und am Ende alles voll Wasser und voll nasser Überschwemmung ist, noch bevor man erkennt, was es sein soll.
Ich malte sehr schöne große Krater auf mein Papier, denn Frau Merkel hatte in der Heimatkunde gesagt, der ganze Mond wär voller Krater und die wären alle rund !
Ich schaute zu den Mädel rüber: Uuh, die wußten gar nicht, was die da malen sollten. Wieder nicht aufgepaßt, das Volk.
Also weiter: jetzt die Rakete.
Meine Mama hatte gesagt, die Rakete wär lang und spitz und Frau Merkel hatte gesagt, die Rakete hätte Beine. Beine? Na gut.
Natürlich durften die Mondmännchen nicht vergessen werden, wie Frau Merkel mich erinnerte, als sie die Reihen durchging, um ihre Unterrichtserfolge nachzusehen. Die Männchen, wie sie aus der Rakete klettern und auf dem Mond herumlaufen, als ob sie dort zuhause wären.
Mondmännchen ! Haha.
Natürlich wußte ich, daß es keine Mondmännchen gibt, und daß sie eine ganz hintervotzige Erfindung von Frau Merkel waren, damit sich die Mädel den Mond besser vorstellen konnten, obwohl sich die Mädel den Mond überhaupt nicht vorstellen konnten, weder mit noch ohne Männchen.
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