Schwarz - Rot - Heidelberg !
Im Jahre des Herrn zweitausendundsechs fuhr ich wie sonst auch jedes Jahr von kräftigen Pedalstößen befördert
nach H E I D E L B E R G .
Wo ich sonst aus der Ebene durch den Hardtwald und über die Speyerer Straße in die eng das Neckartal auskleidende Stadt einziehe, verfiel ich diesen Sommer auf den Gedanken, dem Neckarstrome von seinem Ursprung her zu folgen und Heidelberg über das schwäbische Unterland und den Odenwald von der Bergseite her zu bereisen.
Erst führte mich mein Weg durchs Pfinztal ins alte Bretten, um von dort die Höhen des Strombergs zu queren.
Bald gelangte ich durchs liebliche Zabergäu nach Lauffen. Über Weinberge folgte ich dem Neckar flußabwärts nach Heilbronn und ich erreichte Jagstfeld, wo ich eine schöne Sommernacht verbrachte.
Am Morgen aber war es vorbei mit dem schönen Sommer und ein furchtbares Regenwetter hatte sich zusammengefunden und ließ mich an weiterem Fortkommen zweifeln.
Doch beim ersten Sonnenstrahl brach ich trotz bösen Sturms auf, um auf der Bad Friedrichshaller Eisenbahnbrücke wieder über den Neckar zu setzen.
Am Fluß blies ein strammer Wind alles Naß und allen Regen fort und in von Sommerlicht durchgleistem Land radelte ich stromabwärts, während auf den Höhen ringsum schwäbische Neckarburgen wachten.
Der heftige talaufwärts blasende Wind forderte meine Kräfte, aber die Karte sagte mir, bis zum Abend würde ich den Odenwald durchquert haben und vor Heidelberg Quartier machen.
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Am Kraftwerk Obrigheim, kurz bevor der Fluß waldgesäumt in engen Kehren das Gebirge durchstößt, blickte mich ein Ur an, das im Sperrwerk das Reaktors graste.
Bei herrlichem Ausflugswetter radelte ich die badischen Neckarburgen-Reihe hinab.
Deutschland - wo ist es deutscher als am Neckarflusse ?
Ich möchte euch allen, so mein kleiner Aufruf an dieser Stelle, sehr ans Herz legen, einmal in eurem Leben den Neckar stromabwärts zu durchwandern.
Und wenn ihr in Verlegenheit seid, Fremden aus fernen Kulturen unser schönes Land einmal dort nahezubringen, wo es wirklich so ist, wie man es sich vorstellt, ja, wie es eigentlich sein soll, dann, bitte, fahrt mit ihnen am Neckar von Marbach nach Heidelberg.
Nun aber, der Nachmittag war schon fortgeschritten und warf tiefe dunkle Schatten die Talenge bei Neckarsteinach hinab in den schwarzgrünen Sud des Nicarus, mochte ich vor Heidelberg in Neckargmünd mein Zelt aufschlagen, um morgen einen ganzen köstlichen Tag in der Stadt Heidelberg zu verbringen.
Doch weh, der Zeltplatz bei Neckargmünd schien gar nicht für eine ruhige Nacht am Fluss eingerichtet: überall Lärm und Verkehr.
So fuhr ich etwas ratlos am frühen Abend bei Ziegelhausen nach Heidelberg ein.
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Am gegenüberliegenden Ufer sah ich Zelttreiben direkt am Fluß und ein Schild 'Camping Heidelberg'.
Nun gut, ich wollte mir diese letzte Möglichkeit, die Nacht dem Strome nahe zu wohnen, wenigstens einmal ansehen.
Zum meinem großen Unglück sieht das 'Camping Heidelberg' von Ziegelhausen her wohl recht idyllisch aus, aber es liegt doch direkt an der Böschung der Neckartal-Bundesstraße und der Neckartalbahn.
Ich überwand alle Hindernisse und gelangte durch eine unendlich versudelte Straßenunterführung, an der ein abgerissener Wegweiser, der vieles und nichts bedeuten konnte, zum 'Camping' zeigte.
Tatsächlich stand ich aus der Tiefe des Tunnels tretend direkt vor dem Kassenhäuschen, wo mich freundliche Menschen herzlich willkommen hießen, noch bevor ich wieder umdrehen konnte.
So blieb ich dort, gab Geld und zog eine Nummer.
Dann schob ich mein beladenes Rad die Schlierbacher Neckarwiese hinab, auf der ein noch viel regeres Zelttreiben stattfand, als es vom Ziegelhäuser Ufer auszumachen gewesen war.
Na schön.
Nach einigem Probieren fand ich direkt am Flusse einen Platz, auf dem mein Biwak in der richtigen Richtung aufgestellt werden konnte.
Ich baute mich an diesem wohlfeilen Ort auf und fand, daß der Verkehrslärm sowohl der Neckartal-Bundesstraße, als auch der Neckartalbahn unten am Ufer gar nicht zu hören war.
Bald war alles vortrefflich besorgt, und ich begab mich zu den Bädern.
Um mich herum befand sich der Platz in emsiger Abendvorbereitung, denn es war Freitag im sommerlichen Heidelberg.
Junge Menschen, zahlreich, und auch einige alte, dazu Kinder und Hunde.
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Wie es eben ist auf den Neckarwiesen im sommerlichen Heidelberg.
Nur ebend hier die Neckarwiesen Schlierbach, das 'Camping Heidelberg'.
Die Bäder erwiesen sich als Gemeinschaftsdusche in zünftiger Atmosphäre.
Nicht einmal imperative hygienische Instruktionen klebten auf Türen oder Fliesen.
Darum also der günstige Tarif.
Ich bestritt meine Gemeinschaftsdusche allein: niemand mochte sie mit mir teilen.
Frisch gegossen trollte ich mich durch das Gewusel der Zeltgesellschaft flußabwärts zum Ende des Geländes.
Der Fluß glitt sachte in der fortschreitenden Dämmerung dahin.
Ach, was machte mein Auge aus:
Neben meinem Zelt hatten sich neu zugezogene Gäste angesiedelt.
Diese hatten eine Sitzbank, die ich zum Trocknen meiner Sachen entfremdet hatte, bereits entwendet, aus der Richtung gedreht vielmehr und, ich sah die Bescherung, auch sonst vielerlei Unordnung in meiner unmittelbaren Nachbarschaft angerichtet.
Junge Menschen, sehr sehr jung, man sah es an den Gesichtern, an den herbeigeschafften Bierkisten, dem bereits überall herumliegenden Unrat, der Bestuhlung aus mehreren eilig zusammengeräumten Bierbänken, neben denen bereits eine Feuerstelle zur Ausübung archaischer Verzehrriten eingerichtet war.
Die jungen Menschen sahen mich entzückt näherkommen und fragten, ob ich das sei, und ob es denn recht wäre, wie sie neben mir zelteten, nicht ohne die Aufforderung, nur frei an ihrem Zeltleben teilzunehmen, wenn es mich gelüstete.
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Es hätte mich in der Tat einerseits sehr gelüstet, am Campus dieser jungen Menschen, dem Zungenschlag nach Norddeutsche, teilzunehmen. Doch halte ich in meinen späten Tagen nichts von unmäßigem Trunke und ich hatte auch keine Neigung, unbekannte Speisen nach archaischem Feuerritual einzunehmen.
Ich bedankte mich herzlich für die Gastfreundschaft und verlautete, daß mich die unerhofften Nachbarn keineswegs stören würden, da ich ohnehin bald die Stadt aufzusuchen gedächte.
Vielmehr gedachte ich allerdings zunächst einmal die örtliche Bierterrasse aufzusuchen, um die kräftezehrende Gegenwind-Tour bei einem bescheidenen Trank und einer gesitteten kleinen Speise ausklingen zu lassen - ich benötigte einen Ruhepunkt.
Ich wechselte noch mein Gewand und verschloß mein Häuslein mit einem gewiß nicht unverbindlichen Blick der Strenge auf das Treiben dieser jungen Menschen, dreier Knaben um die 20, wild und schön.
Deren Lager war nun vollendet.
Ein Dunkelhaariger nur mit Großraumshorts bekleidet strullte lüstern in den Neckar, ein Bier zur Hand. Die beiden andern warn am Fußballern mit der weiteren Nachbarschaft - Barfuß-Fußball: Schuhwerk lag überdrüssig wie viele andere Ausrüstung irgendwo auf der Wiese.
Dazu Flaschen aus klarem Plastik.
Auf der örtlichen Bierterrasse wurde ich schon herzlich von der Wirtin erwartet. Ich nahm eine der dargebotenen Flaschen und setzte mich damit an einen noch freien Katzentisch, wobei die Bierterrasse in ihrer Bescheidenheit eigentlich nur aus Katzentischen bestand, die jedoch alle randvoll mit internationalem Zeltvolk nebst Bier in Flaschen waren.
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Zu einer Speise konnte ich mich nicht entschließen, doch der Trunk schmeckte köstlich und neben mir floß der Neckar träge der untergegangenen Sonne nach.
Bald ebenso schwer und träge beschloß ich, den abendlichen Gang in die Stadt auf morgen zu verschieben.
Ich kaufte noch eine Flasche Bier sowie eine Tüte Frittiertes, um die in mühsamer Wanderung aufgezehrten Kräfte bei einem Mahl in der Traulichkeit meiner Behausung wieder herzustellen.
Mit den Viktualien in der Hand begegnete ich auf dem Rückweg bald den drei Wilden, einer noch immer schuhlos, die beiden anderen auch nicht vollständig angezogen. Sie musterten meine Vorräte und der Barfüßige, ein burschikoser kurzgeschorener Blonder fragte mich auf Englisch, woher ich sei.
Ich verstand nicht ganz, worauf es hinauslief, aber ich antwortete mit der englischen Gegenfrage, ob sie denn nicht aus Deutschland seien.
Die Jungs warteten nicht auf eine Antwort, strebten vielmehr eilig ins Zentrum des Treibens, um auch dort ihre Ungestümheit zu entfalten.
Nun sah ich in der Dunkelheit die Deutschlandfahne neben dem Zelt wehen, die wüsten Knaben hatten sie aufgezogen.
Über ihren Bierbänken ergoss sich vielfältiger Unrat, die Vorräte selbst waren den Kisten bereits auf den umliegenden Rasen entsprungen, dazwischen herabgerissene Kleidungsstücke, Schuhe und mancherlei mehr, das die Dunkelheit gnädig bedeckte.
Einen Platz weiter saß ein dicker alter Mann bei einem kleinen Feuer.
Ich arretierte Hab und Gut, warf den Proviant ins Zelt und wuchtete mich in mein Nachtlager. Getränk und Frittiertes wollte ich hier gemütlich einnehmen.
Abendliche Stimmung am Neckarflusse.
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Ein heftiger Schlag von rechts oben auf meinen Kopf schreckte mich aus der Schläfrigkeit.
Es war der Fußball, der in meine Lagerstelle geschossen war, ob der Zurruhegegangene noch darin wohnte:
die Hübschen waren zurückgekehrt.
Aus Geplapper wurde bald Geschrei, Glas klirrte, von überall rumpelte es, das Feuer knackte.
Die Stimmen am nahen Zechtisch vermehrten sich bald, Zeltnachbarn waren herübergekommen, um mitzufeiern.
Ich öffnete geräuschvoll die Apside, wodurch die Gesellschaft über meine Anwesenheit vergewissert wurde.
Ich hatte jedoch nicht die geringste Absicht, am frohen Tische der Jugend mitzutun, denn nach 2 einsamen Getränken und dem schweren Tag war mir nur nach Schlaf.
Bald aber schwoll der Festlärm ins Unermeßliche, Menschen liefen umher, Autos hupten.
Das Neckar-Idyll war dahin, man wollte es nicht fassen - und an Schlaf war auch nicht mehr zu denken.
Ich griff ein Beinkleid, denn nackt wollte ich mich nicht in der Dunkelheit beschweren.
Vom Zelt hervorgekrochen bemerkte ich das Saufgelage neben mir aufgelöst. Die Teilnehmerschaft hatte sich vielmehr einer Autokolonne zugewandt, die sich unweit unseres Lagerplatzes auf dem Zufahrtsweg aufgestaut hatte.
Das Sufftreiben lag in unglaublicher Auflösung darnieder, ein Feuerchen gluste noch schwach.
Die Buben sprangen derweil wie Böcklein auf der Wiese herum, während ich entgeistert die Autokolonne verfolgte und mir vorstellte, daß es sich dabei um lauter späte Zeltgäste mit großen Vorräten an Bier und Bratspeisen handelte, die sich alsbald zwischen den bestehenden Lagern niederlassen wollten.
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'Gibt das ein Problem?' fragte ich den untersetzteren der drei Burschen, der gerade in den Resten ihres Freisitzes stocherte.
'Nein, gar nicht, die wollen alle woandershin,' entgegnete er, während seine Freunde noch heftig mit den Autotouristen sprachen, 'Das sind alles Franzosen!'
So, dann wollen die vielleicht noch nach Frankreich, und gar nicht nach Heidelberg.
Immerhin war erst 11 Uhr abends.
Immerhin schien es, daß diese Franzosen meine zwar schon etwas trunkenen, doch noch immer recht Heidelberg-hungrigen Jungs an- und mitzuziehen schienen, wofür ich den Franzosen - wie ich aus umherschallender Unterhaltung schloß, Musiker - von Herzen dankte, denn hier schien sich eine Möglichkeit zu eröffnen, doch noch zu ersprieslicher Nachtruhe zu gelangen.
Wieder nüchtern hüpfte der barfüßige Blonde über die Wiese und überlegte, mit welchen Mitteln er sich für die Stadt herausputzen könnte. Kleidersäcke wurden durchwühlt, Diskussionen über den geplanten Ablauf des Nachtabenteuers geführt.
Man war sich nicht einig.
Währenddessen löste sich die Autokolonne wohlgefällig auf.
Endlich, kurz vor Mitternacht, entfernten sich Schritte vom Zeltlager und Stimmen verklangen in der Ferne, und nur noch der Fluß Neckar rauschte sacht.
Ich vergrub mein Haupt in den Kissen und schlief köstlich.
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Der Schrei wasserlebenden Getiers weckte mich, als es schon hell war.
Ich horchte ein wenig nach draußen, doch weder die Neckartal-Bundesstraße noch Morgengeräusch aus Zelten drang an mein Ohr, nur das wasserlebende Getier schrie in den beginnenden Heidelberg-Tag.
Ich fühlte mich trotz der selbstvergessenen Intoxikation vom Vortage recht eleviert, hob mich aus den Nachtdecken empor und begann, mein Stövchen zum Brauen eines Pulverkaffee anzuheizen.
Da keine Geräusche aus dem Nachbarhäuschen drangen und mir auch nächtens kein weiterer Lärm aufgefallen war, nahm ich an, die jungen Herrn seien noch unterwegs.
Ich öffnete die Apside und sah zum Flusse hinaus, während ich meinen Kaffee verzehrte.
Dann suchte ich mein Notwendiges zusammen, um der Waschgelegenheit zuzusprechen.
Draußen angekommen, sah ich die unbeschreibliche Bescherung der vorigen Nacht, welche sich viele Quadratmeter um mich herum breitmachte:
Flaschen leer und voll, angebrochene Eßwaren, Kleidungsteile, zahlreiche Schuhe, ein zerbeulter Kinderfußball, Tüten, Taschen, alles bunt durcheinander, darüber die Freiheitsfahne.
Schwarz verkohlt das Lagerfeuer. Rote Bänke umgestoßen. Golden der Kragen geleerten Pilsener Flaschenbiers Premium.
Die Gemeinschaftsdusche fand ich um halb acht wiederum verlassen vor. Ich erklärte es mir damit, daß die Gemeinschaftsbedürftigen um diese Zeit erschöpft vom Vorabend noch auf der Matte schnarchten, während die Frühen mit ihren Familien, Kindern und Hunden in so geordneten Verhältnissen ausgestattet waren, daß sie gemeinschaftlicher Anlagen nicht bedurften.
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Alsbald war ich neu gerichtet und sprang froh dem Tage entgegen.
Er sollte mich zunächst dem Neckar folgend nach Mannheim führen, bevor ich nachmittags wieder an den Neckarwiesen Heidelbergs zurück sein würde.
Noch fühlte sich dieser Tag kühl und trübe an.
Als ich zu meiner Behausung kam, bemerkte ich, daß die 3 Wilden, oder wenigstens eine Restbesatzung davon, still und bescheiden doch neben mir übernachtet hatten, denn deren Luke war nun auch geöffnet und eine schlaftrunkene Konversation drang herüber.
Ich hörte nicht hin, vielmehr rüstete ich mein Fuhrwerk mit dem Nötigen für den Tag.
Das war nun laut genug, um die früh Erwachten neugierig herauszutreiben, was es gebe.
Ich wünschte den zertreten aussehenden Helden einen guten Morgen während ich mit meinen Vorbereitungen emsig fortfuhr.
Bald war alles aufgeladen, ich schloß die Apside und rollte davon.
Die morgendliche Fahrt am rechten Neckarufer war erbaulich.
In Ziegelhausen kaufte ich 2 Schoki und ein Einback.
An den noch jungfräulich liegenden Neckarwiesen vorbei fuhr ich über Universität und Tiergarten nach Ladenburg, wo der Strom abermals überquert wurde.
Über das dörfliche Seckenheim hinter seiner Mauer gelangte ich in die große Stadt.
Gerade als ich daran vorbeifuhr, wurde die Neuostheimer Eisenbahnbrücke versägt.
Viele Menschen standen in der Vormittagssonne und sahen zu, wie die Trennscheibe kreischend in den Träger fuhr, den ein Autokran in die Höhe reckte. Ein Funkensturm stob aus dem alten Eisenwerk.
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Zu Füßen des Neckar lagen bereits zahlreiche zugesägte Brückenteile und die Pfeiler ragten bereits ihrer Last enthoben und nutzlos aus dem Vorland.
Als alles genau angesehen war, radelte ich weiter in die große Stadt, wo am Collini-Center wiederum eine Neckarbrücke abgerissen wurde. Teil für Teil des Beton-Tragwerks hackte der Meißel einer Abrißraupe auf das Vorland, was eine höllische Staubwolke hervorbrachte, durch die der Neugierige sich hindurchzuarbeiten genötigt sah.
Mannheim - Stadt der eingebrochenen Neckarbrücken.
Nebenan war bereits die neue Brücke fertig, und dem Verkehr machte es gar nichts, wenn die alte zersägt wurde.
Meine Geschäfte in der Großstadt waren alsbald beendet und auf dem selben Weg wie gekommen, nun jedoch von Sommerhitze gedörrt, verließ ich die kurpfälzische Metropole, wobei ich abermals an beiden noch immer in lebhaftem Einsturz begriffenen Brücken vorbei mußte.
Viel Wiedersehensfreude bereitete Ladenburg, wo es die eben noch bestehende Eisenbahnbrücke zu überqueren galt.
Ausgezehrt von der Sonne rastete ich in der Aue bei Schwabenheim, wo ich mich freier machte und noch einen erfreulichen Schoko-Trunk in meinen Vorräten enthalten fand.
Dann ging es in froher Fahrt nach Heidelberg, wo ich nach gründlichem Studieren einen Platz für mich und mein Velo am unteren Ende der Neckarwiesen fand. Wo es abgeklärter ist, und man die Zeit mit der Präsentation des Selbst und komplementär dazu mit der Taxaktion der Umherliegenden verbringt.
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Mein Taxieren erbrachte nun anderhalb Stunden lang nur eitles Weibervolk, und als eben ein erfreulicherer daran anhängender Zuckerbub mir seine Zehen entgegenstreckte, ließ das Wetter nach.
Aus schwarzem Firnament über dem Odenwald flimmerte ein Unwetter heran.
Als die Sonne schließlich weggeweht war und Gewitterböen das trauliche Treiben bedrohten, gelangte ich zur Einsicht, daß es wieder einmal verfrüht vorbei sein würde mit dem schönen Neckarwiesen-Sein.
Ich warf mein Leibchen über und packte zusammen.
Hernach stieg ich ordentlich in die Eisen, um mit dem sich auflösenden Neckarwiesenleben noch rechtzeitig vor dem Erguß des Unwetters ein Dach zu erreichen, wobei mir ja bewußt war, daß ich in Heidelberg eben kein solches mehr zu meiner Verfügung hatte, wie es eben in meiner neueren Heidelberg-Beziehung die Regel geworden war.
Obwohl es gefährlich vom Himmel spuckte, während ich in Richtung Gewitterfront neckaraufwärts eilte, erreichte ich in heftiger Anstrengung und jeden Verkehr mißachtend den Schlierbacher Zeltplatz gerade erst, als das Gewitter zur Reife gelangt war.
Ich hastete an mein Zelt, riß alles vom Rad herab hinein ins Trockene, schnappte Tuch, Seife und Badeschuhe und rannte von Regensalven begossen zu den sagenumwobenen Gemeinschaftsanlagen, die nun, in der Not, wo alles umher nur noch Sturzregen war, auch anderen Zeltteilnehmern Zuflucht boten, um gemeinschaftlich zu brausen.
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Wie ich jedoch schon befürchtete, waren die Teilnehmer der Gemeinschaftsbrause nicht diejenigen, mit denen man gerne gemeinsam brausen möchte. Dennoch: nach dem heißen Nachmittag war eine Brause vonnöten.
Draußen ging derweil ein äußerst gewaltiges Unwetter hernieder, das sich im engen Neckartal bei Ziegelhausen nocheinmal so gewaltig anhörte.
Als ich ausgeschäumet war, ordnete ich meinen Anzug und wollte, gewärtig genug, ein Geld mitzuführen, das Ende des Unwetters in der angeschlossenen Bierterrasse bei einem alkoholischen Getränk abwarten.
Da auch zahlreiche andere Menschen diesen Wunsch hatten, gab es wieder nur einen Katzentisch auf der Terrasse, wobei diesmal auf die abgehenden Schauer achtzugeben war.
Im trockeneren Innenteil des Ausschanks hörte man neben einem Fußball-Fernseher eine Gruppe italienischer Studenten beim Kartenspiel.
Eine Stunde später war das Gewitter zu ende, und ich begab mich auf den Rückweg, wo ich gleich bemerkte, daß die italienischen Studenten sich neben den norddeutschen Nationalen errichtet hatten und folglich mit jenen in heftigem Dialog begriffen waren.
Der Starkregen hatte den fliegenden Behausungen den Rest gegeben, aber die Farbe der Wiese war sehr schön.
Das an Armensiedlungen Asiens erinnernde Gebäude des alten Mannes nebenan war von Wasserlachen eingefallen, der Hausstand der drei Wilden lag nach wie vor, nun aber patschenass umher, während mein kleines Biwak frisch und adrett dastand.
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Günstigerweise hatte ich in Seckenheim etwas eingekauft, und so nahm ich ein kleines Mahl, während ich überlegte, wie dieser Tag in Heidelberg fortgesetzt werden müsste, damit er gelinge.
Es war nun schon recht dämmerlich, aber ich trocknete mein Fahrrad, setzte den Kilometerzähler ein und radelte durch die allmählich trocknenden Straßen am Ziegelhäuser Ufer flußabwärts, wobei ich am Benediktinerstift einen heftigen Abstecher ins Gebirge wagte.
Zurück am Fluß erbaute ich mich am wunderbar illuminierten Heidelberg, das sich in den Fluten vielfarbig spiegelte, und war zufrieden, diesem schönen Platz einmal mehr als einen Nachmittag gewidmet zu haben.
Über das Neckarwehr gelangte ich in die Stadt, wo ich mich alsbald von vergnügungshungrigem Treiben bedrängt sah.
Ich verwarf meine Pläne. Samstagabend schien mir nicht die geeignete Stunde, in der abendlichen Altstadt zu weilen.
Durch ein Gemenge junger suchender Menschen machte ich über die Alte Brücke kehrt auf das rechte Neckarufer und radelte wieder nach Schlierbach.
Dort hatten die ansässigen jungen suchenden Menschen ihren Zechtisch neu erstellt und gaben ein neues Gelage, an dem nun auch italienische Studenten teilhatten, die sich in authentischer Weise germanischer Bräuche kundig machten.
Doch bettete ich mich gelassen zur Ruhe, meiner nicht wenigen Tageskilometer durch die Kurpfalz gedenkend.
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Am nächsten Tage, mit dem Schrei des Wassergetiers, baute ich mein Biwak ab und räumte alles zusammen.
Die Flagge der Deutschnationalen winkte mir zum Abschied und ich wünschte ihnen noch schöne Stunden am Ufer.
Sodann fuhr ich aus der kühl unter Wolken gefangenen Stadt Heidelberg heraus und von 100 Kilometern heftigen Gegenwinds geplagt erreichte ich spätnachmittags Baden-Baden.
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© Rainer Jehl
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