Hinweis:
Eine Lyrik aus dem Jahr 1998 ! Die beschriebenen Zustände beziehen sich auf jene Tage
In der somnolenten Provinzstadt Karlsruhe/Rhein gibt es heute im wesentlichen 2 Sorten Bier :
Honinger und Moepfner.
Daneben bewerben sich auch einige minderbedeutende Fabrikate.
Aus früheren Zeitaltern allerdings sind noch andere Karlsruher Biersorten von gewisser Verbreitung bezeugt, nämlich Sinner, Schrempp, Fels und Prinz, welche sich jedoch auf Dauer nicht bewährten.
Ohne Schwierigkeit wird man davon sprechen können, Honinger und Moepfner haben die übrigen Biersiedereien geschluckt.
Vertraten die Karlsruher ihren Stand immer schon gerne durch die Wahl ihrer Braugetränks, polarisierte die durch Ausrottung der Mitbewerber geschaffene Dualität Honinger - Moepfner die gesellschaftlichen Schichten in bisher nicht gekannter Weise.
Ein bekennender Honinger-Trinker hat es schwer im Stadt- und Landkreis Karlsruhe.
Gilt sein Trunk doch gemeinhin als das Übelste, was dem Dürstenden verabreicht werden könne - geschmacklich angesiedelt gleich nach den Fluten des einstmals an den Brauereikellern vorbeiziehenden Landgrabens, der städtischen Kloake.
Ein Honinger schmecke nach nichts, ein Honinger schmecke nach Zucker, ein Honinger schmecke nach Scheiße, so ist es immer wieder zu hören, sobald auch nur der Name Honinger klein und leise in einer unbedeutenden Nebenbemerkung anklingt.
Die dickliche Honingerflasche, so heißt es, fände man in der Hand der Tagestrinker, welche hinter der Hauptpost in Rudeln beisammenstehen, einem taubenbewohnten Barockpalais von grauockerner Speckigkeit.
Auch luge sie leergetrunken in unschicklicher Weise aus illegalen Müllablagerungen und sonstigen Verwüstungen der Stadt hervor.
Dies insbesondere in ihrer häßlichen Halblitervariante, die im Gegensatz zur eleganten Schlankheit des entsprechenden 0,4l-Moepfner-Behältnisses aussieht wie eine Preßwurst der Metzgerei Müller&Veith.
In billigen Badeanstalten und an den Kiesgruben um Karlsruhe herum finde man so manche Honingerflasche, welche halbvoll in der Sonne schmurgelt, so ist zu hören.
Und dabei stellt man sich gerne vor, wie der hochrot angelaufene Trinker nach 2 Dosen Honinger-Bier ächzend einen Strahl dünnsauren Mageninhalts vor sich ausgießt, in eine Mulde hinein, die er zuvor dafür anlegte, um dieselbe nach vollständiger Entleerung zu zu schütten und nach einem Bade zu streben.
Den Gipfelpunkt der Honinger-Verachtung erntete jedoch die Brauereigaststätte Honinger, gleich gegenüber der Hauptpost mit all der hintendran angesiedelten öffentlichen Trunksucht.
Schlechteres Essen, schlimmere Zustände in Küche und am Tresen, tuschelten die Honinger-Feinde die Kaiserstraße auf und ab, wärmeres und dünneres, süßeres und schaleres Bier seien nirgendwo sonst in so schrecklicher Anhäufung zu finden, als dort in der Brauereigaststätte Honinger, was schließlich dazu führte, daß Honinger aus- und die Deutsche Telefon dafür einzog.
Was hinter diesem neuen Telefonladen getrunken wird, das konnte bisher allerdings noch nicht festgestellt werden.
Das Honinger-Signet ist das hopfengeschmückte Trifolium.
Man findet es an allen Orten, die dem bürgerlichen Anstand fremd sind, wie Trinkhallen, verkommenen Bushäuschen, Abbruchhäusern, billigen Imbissen und ordinären Schänken.
Ebenso fuhr es jahrelang verschossen und verbeult auf den Flanken der Straßenbahn durch die Stadt, als diese ihren größten Niedergang erlebte.
Gerade hierdurch, so haben Nachforschungen ergeben, verbinden die Karlsruher Honinger-Bier ganz fest mit etwas, das gewaltigt quietscht, auf das man ewig warten muß, das ruckelt und poltert, und immer widerwärtig riecht.
Ja, man kann sagen, das Honinger-Kleeblatt beherrschte nach dem Krieg jahrzehntelang das Stadtbild, und immer, wenn man unglücklich über den ewig trüben Augenblickszustand Karlsruhes irgendwohin sah, da stand auch schon:
'Honinger'.
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Dies alles und noch viel mehr führte, man kann es sich denken, die bessergestellten Karlsruher bald an die Maischetröge der Brauerei Moepfner, welche sich hochfahrend Privatbrauerei nennt, als wäre sie eine Privatbank, oder vielmaher als wäre der durch sie Getränkte ihr Privatpatient, der es sich leisten könne, gegen Mehrvergütung ein besonders gerührtes Privatrezept von erhöhter Wirkung einzuschlucken.
Solch besondere Wirkung wurde in der jüngeren Vergangenheit durch eine farbstarke Grün-Kampagne von Moepfner postuliert, dessen Signet ein grünes Jugendstil-'H' bildet.
So fuhr der Fahlheit der Honinger-Straßenbahnen in den verblichenen badischen Farben Gelb und Rot die zur Gänze von froschgrünem Hopfenlaub überwucherte Moepfner-Tram davon.
Ebenso wurde früher und wird noch heute überall in der Stadt froschgrünes Moepfner plakatiert, froschgrüne Moepfner-Schirme und -Markisen installiert, -Bierkästen aufgestapelt, -Bierwagen umhergefahren, -Schanktabletts ausgetragen, -Schirmmützen an Vereine ausgeteilt - alles froschgrün.
Man kann sagen, Moepfner ließ das gelb-rote Karlsruhe erst einmal ergrünen.
Da die Kundschaft, welche das Honinger aufgrund seines üblen Rufes verschmähte, jedoch äußerst wertebewußt ist, gesellte sich zu dieser Kumulation des Grün bald mancher goldene Reif, manche silberne Manschette, und auf einmal blinkte keine Karlsruher Bierflasche so possierlich im Morgenrot wie diejenige der 'Privatbrauerei' Moepfner.
Doch damit sollte es nicht genug sein.
Der Trinker gehobenen Standes verlangte nach Kultur, großem Auftritt, passend zu handpolierten Pferdelederschuhen und geschnürtem Rückendekollete der anhängenden Edelstute.
Also adelte die Brauerei Moepfner ihre Etiketten, Schirme, Plakate und Straßenbahnen mit noblem Weiß, wodurch die Bierflaschen von solchen mit Schaumwein kaum noch zu unterscheiden waren.
Mit solch feinziseliertem Trunke in der Rechten ließ sich jeder verdiente Karlsruher gern in der interessierten Öffentlichkeit sehen, wenn die Berichterstatterin der Badischen Neuesten Nachrichten nicht weit war, und auch nicht der Erste Bürgermeister Dr. Kolb und der Präsident der Oberfinanzdirektion und der stellvertretende Präsident der Versorgungsanstalt.
Bald hatten die badischen Untergebenen begriffen, welche gute Figur ein Moepfner in der Hand verleiht, man sieht doch gleich ganz anders damit aus.
Auf allen schicken Events Karlsruhes ist Moepfner mit dabei und sponsert: Roger Whitaker, schwäbische Popschnulzen, Europäische Kirchentage, Badisches Revolutionsjubiläum, Kegeln, Tennis, Ringtennis, eben überall.
Natürlich residiert Moepfner wie auch seinerzeit der Badische Großherzog in einem Schloß.
Im Falle Moepfner vielmehr ist es eine Burg, die Moepfner-Burg, die als Wahrzeichen der althergebrachten Abkunft der Biersorte Moepfner beständig in die Lokalpresse gebracht, und zum Ausflugsziel aller Karlsruher, der Untertanen des Umlands und der Fremden der ganzen Welt proklamiert wird.
In der hochmittelalterlichen Moepfner-Burg an der Haid-&-Neu-Straße wird Moepfner gesiedet, ausgeschenkt und verkauft.
Und seit neuestem kann man in der Burg auch nächtigen, in Karlsruhes erstem Internet-Hotel, wo man nach genußvoller Intoxikation enthemmte und pseudonymisierte Kontake per PC pflegen kann, statt ordinär der Banknachbarin in den Arsch zu pfetzen.
Wie traurig ist dagegen das dreiblättrige Mauerblümchen Honinger behaust in einem zugigen Gewerbegebiet am Stadtrand, wo nackte blaßbraune Malzsilos Blickfang sind.
Diese aber und auch die daneben lagernden Türme von Flaschenkästen stimmen den Wahrheitssuchenden bedenklich:
Wer mag es eigentlich sein, der diese riesige Akkumulation von Honinger-Bier austrinkt ?
Allein die bekannten und beliebten Tagestrinker von Hinter der Hauptpost werden es nicht sein, denn bei allem Eifer werden sie zusammen doch kaum mehr als einen Hektoliter täglich einnehmen können.
Und überdies: Wie Beobachtungen im Pfannkuch an der Kaiserallee ergaben, deckt sich der trunkbedürftige Arbeitslose am liebsten mit A&P- oder Euro-Sparbier ein, das um einige Groschen pro Dose zu erstehen ist, und an dem man nicht allzu schwer zu tragen hat.
Betrachtet man dagegen die Bierlager der Moepfner-Burg, wird man diese im Gegensatz zu Honinger eher bescheiden finden.
Unsere Überlegung führt uns nun zu genau der Erkenntnis, die wir schon lange ahnten:
Über Honinger wird zwar viel geschimpft, aber es wird, solange es keiner sieht, auch viel getrunken.
Fidelitas !
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