Trommeln in den Beskiden
... schenkte mir ... ja wer/was? ... einen faden Sonntag, den ich hier eingeschlossen im Schneesturm zuhause verbringen soll, da ich es der Kälte wegen seit heute früh um 10 nicht geschafft habe, den Fuß aus der Tür zu setzen.
Doch wozu auch, bin ich doch an Speis und Trank reichlich eingedeckt ('Wien schlägt an'), und auch ist allerhand Tagewerk zu vollbringen.
Also bin ich seit halb acht (war nämlich nicht tachinieren* die letzte Nacht) damit befaßt, eine Tonbandkassette zum Einsatz in feindlichen Automobilen zu estellen.
Ich habe sie 'Murln-Blosn' genannt.
Bitte, übersetzt ins Amtsdeutsche heißt das: 'Mohren-Geblase'.
Nein, noch feiner übertragen ist es eigentlich 'Möhrlein-Blasen'.
Meine hessische Großmutter sagte dazu 'Neeschermussick'.
Es ist eine Angriffskassette voll schamloser Jazzmusik aus Neu Jork.
Ihre Vorgeschichte hat sie in meinem Ausflug nach Zilina (' Schillina ' - das ist in den Beskiden) letzte Woche.
Nachdem Calabek, ein Geschäftsfreund, mich bereits sehr verunsicherte, als er mir eine fünfstündige Reisezeit nach Zilina bekanntgab, nahm ich zwar mal meine Schallplatten 'Hugo Strasser' mit, denn wir fuhren mit Calabeks Wagen, und Calabek ist als esoterischer Trommler bekannt.
Das Unglück kam dann aber dergestalt, daß Calabeks Wagen keinen Plattenspieler aufwies, um die Hugo-Strasser-Schallplatten abspielen zu können, während ich wiederum nicht über entsprechende Tonbandkassetten verfüge, da ich selbst nur mit Autogrammophon unterwegs bin.
Calabek spielte also seine esoterischen Trommel-Weisen ab Nußdorf, 5 Uhr in der Früh. In allen Färbungen wurde perkussioniert, westindisch in Bratislava, afrikanisch in Trencin, isländisch im Waagtal.
Dazwischen immer ein solches Simsalabimgebimmel.
Calabek ging es sehr gut.
Er trommelte gewaltig auf den Lenker und fuhr hart links auf der völlig leeren, einzigen Autobahn der Slovakei.
Außerdem freute er sich auf das Wiedersehen mit seinem Subunternehmer Petr und dessen Sohn Petr und auch die Frau.
Ich war breit. Würde ich spucken? Ich aß ein Schinkensemmerl.
In Zilina war es lustig (nach 4 Stunden Trommeln !).
Wir hatten Wodka und Kuttelsuppe.
Nur mit Mühe kamen wir spätnachmittags wieder los.
Es gab Bongo.
Nach anderthalb Stunden fragte mich Calabek, dem bestens wohl war, ob ich vielleicht eine bestimmte Trommelrichtung bevorzuge.
Wunschkonzert !
Ich nannte Max Greger, das möge ich.
Calabek war verlegen, denn Max Greger sei nicht dabei.
Da fiel mir geschwind Jürgen Zackl ein, die kleine Wiener Ravemaus. Ja, da war die gute Laune wieder herbeigezaubert, denn ein Tonband vom Zackerl hat ein jeder von uns.
Nicht eingerechnet hatte ich, daß Zackl jedem ein passendes Rave zusammenmixt, also dem Calabek 2 Stunden esoterisches Simsalabim aneinandergeflext hatte.
In Bratislava, zurück brauchten wir länger, waren dann wieder japanische Stehkongas dran.
So beschwingt standen wir eine Stunde an der Grenze.
Endlich, in Hainburg, meinte Calabek, dem Ende entgegen theatralisierend, er gäbe mir jetzt den Rest, damit ich diese schöne Fahrt nie mehr vergesse. Ich könne ja, falls nötig, in meine Nierenschale ('Schnittendose Alu, groß - EVP 1 M 60 P.') kotzen.
Ein unschwer als Bauchtanz zu erkennender Rave erklang. Dieser kulminierte bis Wien.
Calabek, von den Klängen stark ergriffen, erläuterte, das Material stamme aus Syrien, eine Bauchtänzerin hätte ihm das Tonband überlassen.
Wo doch das Bauchtanzen überhaupt so kunstvoll und auch sehr erotisch sei. Allein die konzentrierte Beherrschung des Hüftschwungs, welcher ja bisweilen in ein unerhörtes Tremolieren des Unterleibs münde.
Mithin sei eine Bauchtänzerin durch derlei Leibeskunst eine exzellente Beischläferin.
[ Laute arabische Musik - Wien, Handelskai ]
"Herr Jehl, haben Sie mit einer Bauchtänzerin schon Koitus gehabt ?"
???
Ich war irritiert. Jeder weiß, daß ich für die Araber gearbeitet habe. Aber jeder weiß auch, daß ich der Homophilie zuneige.
Natürlich weiß auch jeder, daß ich immer geil bin.
- Die Nierenschale !
"Äh, Herr Jehl.. - wie foa ma jetzt nach Nußdoaf ? - Praha oder Klo'burg ?"
Bedrohlich näherte sich der Donauspitz.
Praha oder Klo'burg? Tremolierende türkische Knaben erklangen in Moll. Bauchtanz koital.
Ich wußte nichts. Mein Hirn war breit. Calabek war immerfort vom Tremolieren der Leiber mitgerissen.
Ich sagte: "Herr Calabek, so wie sie jetzt gefahren sind, kommen wir auf die Brücke!"
Calabek, den Wagen langsam auf den Spitz der Überleitung vorschiebend, jammerte "Naaaaah - des derf ned woah sei - naaaaaahh. S C H E I S Z E ! ! ! "
Wir fuhren unter dem Gejohle der syrischen Kammergesellschaft auf der Autobahnbrücke über die Donau.
Wien illuminierte.
Auch Calabek war schnell wieder froh, und noch lange fuhren wir im 23. Bezirk umher, ehe wir die Donau erneut bei Bauchtanz und tremolierendem Koitalverkehr überquerten.
Unvergänglich.
Gott dem Herrn danke ich, daß der Döner am Nußdorfer Platz bereits geschlossen hielt.
Dort sollte es nämlich weitergehen.
Ich aber war breit.
Ich dankte Calabek herzlich für die wunderbaren türkischen Hörfrüchte, die mir vor der überwältigenden Donau-Kulisse Wiens zuteil wurden.
Dieser nahm es zum Anlaß, mir seine Pläne für die nächste Fahrt nach Zilina anzutragen.
Diesmal jedoch werde ich gerüstet sein.
2 Stunden Hugo Strasser und 2 weitere enthemmte Stunden Murln-Blosn habe ich nun auf Kassette zusammen.
Österreichische Märsche aus der Zeit des K&K sollen folgen (für die Grenze).
* tachinieren:
der aushäusige Aufenthalt zum Zwecke der Zeitvernichtung, meistens im Gasthaus
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Dauer-Erektion am Heldenplatz
Neulich war ich beim Nationaltag. Dös wara Hetz !
Es gab Parade.
Große Österreichische Militärparade des Österreichischen Bundesheeres 'Schutz und Hilfe' zum 40. Tag der Fahne am Ring.
Auf eine Tribüne wurde zur Senkung des österreichischen Staatsdefizits verzichtet.
Aus allen Provinzen waren die Einheiten zur Parade nach Wien verlegt worden. Es gab österreichische Kampfpanzer, österreichische Flak-Lafetten, österreichische Draken-Abfangjäger, Hubschrauber, Lazarettwagen, Lieferwagen, Busse, alle Wagen, und natürlich ganz viele niedliche österreichische Präsenzdiener aus den Bundesländern.
Dazu stattliche Zeitsoldaten, und weniger stattlich, etwas verschimmelt oft schon - hoffentlich läßt das die Zensur durch - original österreichische Generäle, von denen man sagt, es gäbe davon mehr als österreichische Kampfpanzer.
Jedenfalls war am Nationaltag der ganze erste Bezirk voll von tausenden der niedlichsten, leckersten Präsenzdiener aller Altersklassen von 18 bis 28. Mmmmmmh !
Die Stadt war eh gesperrt, und so ging ich bei Kaiserwetter zu Fuß los.
Das hat mir sehr gut gefallen.
Dauer-Erektion am Heldenplatz.
Dort, an der Burg, standen die Spielzeugpanzer (die österreichischen Rüstungsgüter eh 2 Größen kleiner als sonstwo, aber man sagt: 'Da schau her, a ganz schönes Trumm!').
Zwergerln kletterten drauf herum, und auf dem Heldenrasen führten Wehrpflichtige vor, wie man in der Früh zwei Kasten Helles umbringt.
Ein Moment des Neids wollte aufkeimen.
Das Volk kam zahlreich, denn es war per Postwurfsendung 'An einen Haushalt' geladen worden. Hinderlicherweise verstellten mir die Leut aber die Sicht auf die Soldaten.
Zur Erinnerung erwarb ich einen sehr schönen Anstecker von der Fliegerabwehr. Er zeigt ein blaues Flugzeug auf gelbem Grund, und daneben ein gelbes Flugzeug auf blauem Grund, dazwischen ein sehr langes Schwert 'Bundesheer', und darüber die österreichischen Farben Rot-Weiß-Rot. Sehr schön.
Am Nachmittag dieses anstrengenden Nationaltages erlitt ich bei Hirschkeule und Blaufränkisch im Cafe Engländer einen Schwächeanfall. aber es hat sich gelohnt.
Schneechaos in Ostösterreich
1,3 km/h auf der Wiental-Bundesstraße, von der Südosttangente staut sich der Verkehr bis zum Gürtel, am Ring Stillstand.
Auf dem Übergang über die Franz-Josephs-Bahn zwischen Tegetthoff-Kaserne und Klosterneuburger Bundesstraße bleibt der Herr Jehl mit seinem Automobil hängen (eine Steigung).
Die Lokomotive pfeift, aber es hilft nichts, die Umstehenden müssen schieben.
Auch im größten Notstand gibt es keinen Streu. In sibirischen Verhältnissen krieche ich durch die ungeräumten Verwehungen an der Donau entlang bis Heiligenstadt.
Obwohl ich schon Schlimmes erlebt habe, hat mich ziemlich gegraust.
Den Berg zu mir nach Oberdöbling habe ich nicht mehr gepackt. Auf der Barawitzka-Gassn auffe 0 km/h. Also notlandete ich mein Fahrzeug mit ordentlichem Schwung in einer Schneewehe am Wertheimsteinpark, zwängte meine beiden glücklicherweise bereits mittags erstandenen Schaumkardinal in mein Kofferl, um mit Schirm, Sommerjacke und etwas unzureichenden Halbschuhen weiter zu ziehen.
Ähnlich strandete sich dort unten so mancher BMW-Herr und suchte zu Fuß die Höhen des 19. Bezirks zu erklimmen, denn auch auf ein Taxerl oder gar auf eine Bim (man sagt so) war nicht zu rechnen.
So erstieg ich unter eispeitschenden Schneeschauern die 10-läufige Pokorny-Stiege, die aber als solche kaum mehr herausschaute.
Dabei gedachte ich der erst wenige Tage vergangenen Zeit, als ich auf der Pokorny-Stiege leicht geschürzt mein Fahrrad der Marke Kettler Garant zur Donau niedertrug (und natürlich meist auch wieder herauf), um mich dort abends zum Trunke einzufinden.
Bis ich in der Hofzeile dann anlangte, erlebte ich noch die unerreichtesten Strapazen und Abenteuer, ich kam an wie ein Eisgeher am Großglockner (..und das alles mit meinem Kofferl und den Halbschuhen und der Sommerjacke).
Na jedenfalls wollte ich eigentlich heute ins Sudatorium, um nicht krank zu werden, und bin also extra früh los aus dem Kontor.
Wurde also wieder nichts, alle Straßen unpassierbar, das Auto verloren, kein Taxerl, am Ende das Bezirksbad geschlossen.
Jetzt also krank.
Schlimm. Mit einem solchen Unglückstropf hatte ich Mitleid und gab ihm Granatapfel in Portwein mit zwei Schaumkardinälen und danach warmes Bohemia Regent. Mmmmmmmh..
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