Kilometertabelle:
Leh - Khardung La - Khardung - Diskit 118 km
Khardung La - warum?
Vom Namgyal Tsemo Gompa in Leh (der Felsen über dem Schloss) sieht man die in die Berge der Ladakh Range hinter der Stadt.
Ich konnte ganz oben an den Felsen eine Art waagrechten Kratzer erkennen. 'Was ist denn das?' fragte ich mich und ein Blick in die Landkarte ergab, das müsse wohl dieser berühmte Khardung-La-Pass mit über 5.600 m Höhe sein (die stimmt übrigens nicht). Da dachte ich mir, wenn das gleich hinter der Stadt liegt, dann machen wir das mal, Zeit genug hatte ich ja. Es sah auch gut zu bewältigen aus - so schlimm konnte der Höhenrausch dann nicht sein. Zumal ich durch die Himalaya-Querung besten höhenakklimatisiert war.
Mit dem Permit in der Tasche (siehe vorige Seite 'Leh') verabschiedete ich mich für 3 Tage (was sich als zu kurz erwies) und fuhr mit schmalem Gepäck los (was sich als zu wenig erwies).
Wer in der Stadt wohnt muss sich nicht die Hauptstraße ab Leh Main Gate geben, man radelt vielmehr gemütlich in der Oase Chubi los und passiert auf deren Hauptachse die Weiler Sankar und Khaksal der Agglomeration Leh. Da es keine Wegweisung gibt, erfordert die Orientierung im Siedlungsgebiet etwas Schliche und evtl. eine Digitalkarte (Papierstadtpläne erfassen diese Außenbereiche nicht).
Bei Khaksal, 300 m über der Stadtmitte, wird die Khardung La Road (eine Stadttangente am Fels) schon nahe sicht- und erreichbar. Man kann die Straße auch noch in Ganglas am Talschluß catchen.
Dann geht es in wenig befahrenen Serpentinen entschieden in die Höhe. Der Steilanstieg über dem Seitental von Leh ist gnadenlos durch die Felsen gesprengt und die Fahrbahn ist schmal und wenig gesichert. 'Slow Drive - Long Life'.
Gegenüber im Industal grüßt die Zanskar-Kette mit dem Hausberg Lehs, der Stok Kangri (6.121 m). Dennoch ist die Straße mit Rücksicht auf die Militärfahrzeuge, für die sie erbaut wurde, nicht übersteil. Die Fahrbahnqualität ist sehr gut asphaltiert.
Der Südhang ist trotz Höhen über 4.000 m endlos heiß. Genug Wasser ist Pflicht. Es gibt 2 Bäche, davon nur einer gut erreichbar, aber im Herbst halb trocken. Dazu einmal eine Wasser-Nachkaufmöglichkeit in South Pullu (ohne Versorgungsgarantie).
Das Militärlager South Pullu in 4.650 m Höhe (1.200 m über Leh) wird nach einiger Kletterei erreicht. Was man unterschätzt: Die Entfernung von Leh Main Bazar beträgt 25 km, obwohl es nur kurz hinter der Stadt zu liegen scheint.
Dort ist der Passagierschein (siehe vorige Seite) vorzuzeigen, sonst kein Eintritt. Bleiben kann man da übrigens nicht.
Im Kessel oberhalb South Pullus spielt sich dann die Hochetappe des Khardung La ab, man kann die restliche Straße gut überblicken. Verdächtig schmal noch immer die oberste in die Felsen geritzte Schlußgerade. Immerhin sind hier nochmal 14 Kilometer Serpentinen untergebracht, davon ein nicht unerheblicher Teil über 5.000 m.
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Ich hatte mich ohnehin etwas verbummelt und mich in Punkto Aufstieg ziemlich verkalkuliert. Oberhalb South Pullus löst sich die asphaltierte Fahrbahn auf und geht in eine immer grobere Piste über, die ich bald nicht mehr fahren konnte. Im Hochbereich hab ich dann komplett geschoben, bestimmt 10 Kilometer weit. Höhenprobleme hatte ich dank meiner vorhergehenden Übungen weniger, aber geschenkt ist das nicht. Die Piste ist auf der obersten Etage allerdings auch kaum für 29" fahrbar. Mit einem leichten 26"-MTB sollte es besser aussehen. Sehr grob-felsig. Die Kfz fahren dort alle wenig mehr als doppelten Schritt und pendeln bedenklich. Die Piste ist ausschließlich für Geländefahrzeuge und geländegängige LKW befahrbar. Daneben wird aber motorgeradelt mit Royal Enfield.
Als ich mich langsam Richtung Passübergang schob, ging die Dämmerung schon in die Nacht über, die aufgrund der gewöhnungsbedürftigen Zeiteinstellung der Indian Standard Time im Spätsommer hier schon gegen 7 Uhr beginnt.
Daher die plötzliche Dunkelheit auf den obigen Gipfelbildern. Schlagartig wurde es auch kalt-wiundig, so daß ich erst mal meine durchgeschwitzten Sachen wechseln musste. Mittlerweile war die Straße auch komplett leer. Nur eine Polizeipatrollie kümmerte sich noch um mich. Ich konnte aber darauf verweisen, daß ich mit dem Radl schon von Delhi über den Taglang La gekommen war. So wurde ich mit besten Wünschen wieder in die Einsamkeit entlassen.
Oben gibt es tagsüber Gastronomie mit Proviantverkauf (irgendwie unerwartet auf einem der höchsten Gebirgsübergänge der Welt), aber keine reguläre Übernachtungsmöglichkeit. Aus medizinischen Gründen wird Touristen vom längeren Aufenthalt auf der Höhe von 5.369 m abgeraten. Die nächste feste Übernachtungsmöglichkeit ist im 32 km vom Khardung La Top entfernten Khardung. Diese ist aber nachts nicht auffindbar, ohne Leute zu wecken.
Man kann sagen, der von Talort zu Talort fast 100 km lange Hochgebirgspass (nach Khalsar, Diskit liegt noch 25 km weiter) verlangt dem Radler alles ab. Start mit reduziertem Gepäck ist richtig, leider fehlt ein Zelt für die 70 km lange Strecke bis zur ersten Herberge. Schiebepassagen erforderlich, die Luft oben ist dünn. Auf der Südseite (siehe Seite Khardung La II) ist die Wegstrecke bis North Pullu weiter schlecht. Runterrasen nicht möglich.
Wer grade in Leh mit der Jet Airways gelandet ist und gleich in den Heldenhimmel hochschießt, könnte scheitern. Ausreichende Höhenanpassung unbedingt erforderlich (siehe Abschnitt 3, Manali-Leh-Highway I). Vorteil vor Manali-Leh-Highway: Die Talorte liegen viel tiefer (über 2000 m tiefer im Norden) als der Pass, d.h. bei Höhensymptomen kann man rasch auf eine erträgliche Höhe evakuieren. Eine zivile Klinik gibt es im Nubra Valley nicht.
Bis auf die leichte Verspätung habe ich die Strecke aufgrund der Vortätigkeit jedoch intakt absolviert. Vereinzelte Fahrzeuge (LKW und Armee) waren noch bergwärts unterwegs. Nachdem ich erkannte, daß es auch für eine Guesthouse-Übernachtung in Khardung viel zu spät war (die Dörfer liegen nachts im Dunkeln und man schläft) entschied ich mich, die mondhelle, ab 4.000 m wieder relativ warme Nacht nach Diskit durchzufahren. Es war spaßig; als ich auf der Rückfahrt allerdings sah, über welchen Abgründen ich auf schnellem Asphalt dahinschoss, war ich erstaunt.
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