Kilometertabelle:
Meerut - Upper Ganga Canal - Roorkee 134 km
Roorkee - Upper Ganga Canal - Haridwar 46 km
Aus Meerut geht es auf Nebenstraße an buntem Provinztreiben vorbei wieder an den Upper Ganga Canal.
Die Stadt Muffazarnagar wird vom Kanal in weitem Zirkel umfahren auf teils sehr guter, aber auch total ruinierter und im Neuüberbau befindlicher Betriebsstraße. Vielgestaltiges Kanaltreiben mit Dhobis (Wäscher), Büffeln und mancherlei anderem Getier sowie unzähligen Rädern und Mopeds, wobei manches Zweirad rein zum Vergnügen am Wasser ausgefahren wurde, in stets sehr staatstragendem Tempo.
An allen größeren Brücken wird lokales Obst für wenige Pfennige feilgehalten, auch gibt es Zuckerrohrsaft aus Dieselpressen (hier ist Vorsicht vor Keimen geboten!). Gelegentlich auch ein Tea Stall.
Was fehlt, ist Wasser. Dieses kann man jedoch bei den größeren Ortschaften besorgen, die der Kanal passiert (es sind nur wenige).
Die rosarot gestrichenen groß angelegten Bauwerke aus der Errichtungszeit des Kanals um 1850 erfreuen das Auge. Neben den Überführungen gibt es Wassermühlen und große Ghats (Bade- und Waschuferanlagen) bei den Brücken.
Das Wetter war nun heiß-indisch mit blauem Himmel, Temperaturen über 35°.
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Auf Höhe Muffazarnagar stand an jeder Brücke Polizei mit MG. Man sagte mir später, der Streckenabschnitt nach Roorkee sei gefährlich, da Räuber unterwegs seien, insbesondere nachts.
Wegen einer erneuten Panne fiel ich in der ohnehin sehr groß bemessenen Tagesstrecke zeitlich zurück in die Dämmerung. Wohlmeinende Menschen - Studenten - redeten wegen der Räuber solange auf mich ein, bis ich versprach, an der nächsten Brücke auf die parallele Bundesstraße NH 58 überzuwechseln. Ich war jedoch schon den ganzen Nachmittag drauf angesprochen worden. Schon in Meerut sagte mir meine entzückende Wirts-Clique, in Roorkee seien nur Diebe und Räuber unterwegs.
Die NH 58 erreichte ich im Dunkeln. Sie erwies sich als Schnellstraßenbaustelle, auf der der Verkehr auf einer Richtungsfahrbahn (der abzubrechenden Straße) als sogenannter 4+0-Verkehr (beide Richtungen je zweistreifig auf einer gemeinsamen Fahrbahn) geführt war. Dies allerdings ohne jede Markierung bei völliger Dunkelheit, vielen ungesicherten Verschwenkungen und völlig desolater, teil zusammengebrochener Fahrbahn. Die Teilnehmer fuhren laut hupend nicht in Spuren sondern die 4 Streifen flossen von links nach rechts wild durcheinander.
Dennoch waren einige unbeleuchtete Mopeds und sogar Radfahrer unterwegs. Einer lag bereits im Baubereich nebendran und Leute mit einer Funzel waren darüber gebeugt, ob er noch atmet. Eine Rettung wie in Europa gibt es in Indien in weiten Teilen nicht, jedenfalls nicht für Fahrrad oder Mofa.
Ich war nicht sicher, ob ich dieser Verkehrshölle je entkommen würde, aber nach der schlimmsten Fahrradstunde meines Lebens erreichte ich hormonell ausgelaugt den beleuchteteten Stadrand von Roorkee.
Es gibt dort zahlreiche Hotels, ich nahm eines am Bahnhof (rechts des Kanals), wo ich einigermaßen ordentlich unterkam. Das Fahrrad durfte mit in den Hotelflur (ebenerdig).
In der Garnisonsstadt Roorkee selbst sah ich keine Räuber. Polizei und Militär dominieren. Heftiger Verkehr, durch omnipräsente Verkehrspolizei überaus gesittet. Radfahren stellt in dieser Stadt keine besonderen Anforderungen. Vielgestaltige Möglichkeiten zur Versorgung. Ich stellte gegenüber anderen Orten deutlich höhere Preise fest. Neben der Garnison verfügt Roorkee über eine Technische Hochschule.
Am Kanal hängen Studenten herum. Lässiges Treiben am Wasser. Hübsche Architekturen aus der Entstehungszeit des Ganga Canal und auch von später, mitsamt der berühmten, noch original wirkenden Löwen, die neu bepinselt sind. Am Stadtrand nach Norden, die interessant möblierte Abzweigung der neu gebauten Kanaltrasse nach Haridwar. Nach Überquerung des Alt-Kanals das riesige Aquädukt über den Fluss Solani, das auch um 1850 fertiggestellt wurde. Der alte Kanal-Zweig wird zum Rudern genutzt. Reges Leben rundherum. Die rechte Betriebsstraße ist von mäßiger Beschaffenheit (das alte Aquädukt verfügt über eine katastrophale und schmale Fahrbahn).
Nach einiger Zeit schattenlosen Dahinpedalierens erreichen wir den islamischen Wallfahrtsort Piran Kaliya mit einer mittelalterlichen Moschee, die aber mit neuzeitlichen Umbauungen voll zugestellt ist. Am linken Flussufer steht isoliert auf dem Gelände einer Sekte ein riesiger neuerbauter Portikus im Mogul-Stil.
Hier ist die Hölle los (so soll es im Islam sein) an Markt, Bettlern und schnellem Geschäft. Ich tauchte, Wertsachen gut am Körper verstaut, in das Gewirke ein. Der Zugang zum Heiligtum wurde mir jedoch verwehrt, weil ich kurze Hosen beim Radeln trage, jedenfalls bei Temperaturen ab 30°. Es ist letztlich auch unmöglich, hier sicher ein bepacktes Fahrrad zu deponieren (man müsste bei einem der Marktstände fragen um 100-200 Rp).
Kurz nach Piran Kaliya schwenkt der Kanal nach einer weiteren Flussquerung nach Osten Richtung Haridwar.
Das alte Aquädukt wurde dort beseitigt. Haridwar wird am Kanal auf einem gut asphaltierten Zweiradweg erreicht.
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