Orientierung / Karten (extern)
Straßen
Verkehrsgebaren
Reisezeit
Saisonöffnung
Unterkunft / Zelten
Versorgung / Siesta / Preise
Geld und Reichtum
Wie sprechen?
Was auftragen?
Wie falle ich nicht auf?
Was guggn?
Werden wir bedroht?
Gefährliche Tiere
Erlöser und Jungfrau Maria
Straßen
In Kalabrien schwankt die Straßenqualität stark. Es gibt die sehr gut unterhaltenen Staatsstraßen (Strade Statali SS, Hauptstraßen) der ANAS, wobei die größeren oft eine Kombispur zur Mitbenutzung bereithalten.
Aber die kleinen Landstraßen sind oftmals ziemliche Rüttelpisten, die ein robustes Gefährt erfordern. Die Belag- und Unterhaltsqualität ist auch innerhalb weniger Meter oft grundverschieden. Wo die Straße als SP einen aktuellen Belag hat und dabei noch eine in die Landschaft gefräste, großräumige Trasse, ist für arglosen Radfahrer Gefahr im Verzug, denn dort wird gerast. Die kleinen krummen Wege in die Berge sind dagegen weitgehend verkehrsfrei. Generell rast der Italiener gern gerade im Flachen.
An verkehrsreichen Straßen kann es manchmal eng werden und Disziplin und Verkehrserfahrung sind nötig, um heil anzukommen.
4-spurige Straßenabschnitte lassen sich in der Regel gut umfahren. Radfahrverbote auf Schnellstraßen sind separat beschildert. Sie gibt es beispielsweise bei Tunneldurchfahrten und natürlich auf autobahnartig ausgebauten Straßen.
In den Städten erlischt die Zuständigkeit der ANAS für die Staatsstraßen und sie verabschiedet sich jeweils nett mit einem blauen Schild '..und wir hoffen, Sie am anderen Ende der Stadt wieder bei uns begrüßen zu dürfen'.
Dieser gute Wunsch ist auch nötig, denn nicht nur fällt am Ortseingang die Fahrbahnqualität rapide ab in ein Geflicksel, das im schlimmsten Fall in der Innenstadt in das berüchtigte italienische Großpflaster kumuliert, auch jegliche Beschilderung setzt oft aus, ja die schöne Bundesstraße löst sich völlig auf.
Hat man mit Kompaß, Karte und GPS die benötigte Straße am Ortsrand wieder gefunden, ist alles so perfekt wie gewohnt.
In kleineren Orten bleibt die jeweilige Strada Statale dagegen weiter in Obhut des Staates.
Deshalb sind die Durchgangsstraßen kleinerer Orte oft bei weitem besser als die der mittleren und großen Städte.
Wie immer kann und sollte man als Radfahrer oft eine historische Trasse (in unterschiedlichem Bauzustand) mit Gewinn nutzen, wenn man rechts der Schnellstraße nach Abfahrten Ausschau hält, statt auf Betonstelzen windig und von Plattenstößen gerüttelt durch den Himmel zu pflügen.
Da die Gebirgsstraßen nicht so stark gegen den Berg verbaut sind, kommt es oft zu kleinen Felsrutschen, die ein Stück Straße blockieren. Die Nutzer schieben es in Eigenarbeit beiseite. Die alten Straßenwärter stehen schon lange im Gnadenbrot und der Turnus zentralisierter Straßenmeistereien bemißt sich in Monaten.
Entgegen der allgemeinen Meinung ist die Westküste (Tirrena Inferiore SS 18) meist gut zu beradeln und gibt auch landschaftlich was her.
Die ionische Küste fällt durch viel Verkehr und durch einen geringeren Kufstein-Faktor ab, aber als Verbindung ist sie doch ganz lehrreich und außerdem flott. Sie erschließt ein schönes und oft unverbildetes Hinterland, wo auch die Freunde des Pittoresken wieder strahlen.
Einige Städte haben kurze, oft mangelhaft unterhaltene Radstreifen, insbesondere am Strand entlang angelegt. Sie bringen für Reisende nichts.
Generell wird im Landesinneren das Rad kaum als Verkehrmittel verwendet. Der Italiener hat Benzin im Blut. In einigen flachen Küstenorten wird viel geradelt.
Als günstig für das Fortkommen des Radlers erweisen sich die in Italien exzessiv angelegten Kreisel.
Es gilt: wer rein will, hat Vorfahrt. Oft läuft es anders.
Allerdings stellen vielspurige Stadtkreisel mit Vorverteilung oft zu hohe Motilitätsanforderungen an den Radfahrer, deshalb überquert solche Dinger lieber am äußersten Orbit und als Fußgänger über die Einmündungen, bis ihr am richtigen Ende angekommen seid.
Die kalabresischen Straßen sind generell mit einem Tourenrad gut befahrbar, wenn man sich auch für manche Ortsdurchfahrten eher ein MTB wünscht. Regelmäßig gibt es aber happige Löcher, die man nur mit viel Umsicht umschiffen kann. Die Felgen sollten robust sein und keine exotischen Spielereien aufweisen.
Es ist mir nicht klar, wie man im Landesinneren Kalabriens mit dem Rennrad leben kann, aber es wird praktiziert. Ich rate von Rennrädern als Reisevehikel in Kalabrien ab, wenn man sich nicht auf die großen Durchgangsstraßen beschränken will. Wie können die Felgen das überstehen?
Mit kleinen Rädern (Birdie, Lieger) wird wohl auch keiner glücklich auf so unebenen, stufigen Fahrbahnen, wie sie in ganz Süditalien innerorts zu finden sind. Und die Steigungen?
Ein Ozean von Glas..
.. sind italienische Städte, insbesondere am rechten Fahrbahnrand und dort besonders rund um die jeweils an der Fahrbahn stehenden Glascontainer. Viele Straßen werden nicht abgekehrt. Man sollte nur mit neuen, in welcher Art auch immer pannensicheren Reifen und Schläuchen aufbrechen. Vorher gechecktes Flickzeug oder Pannenspray und starke Manometerpumpe gehören dazu.
Verkehrsgebaren
Legendär der italienische Straßenverkehr.
Auf Strecke ist davon eigentlich nichts zu spüren. In Italien wird eher langsam gefahren. LKW fahren sehr umsichtig. Auf langen Geraden lassen es aber viele Leute schiessen. Man sollte auf solchen Strecken nie in der Fahrbahnmitte bummeln oder nebeneinander fahren.
Gebräuchlich aus früheren Zeiten ist ein Schallzeichen beim Überholen. Angewandt wird das durchaus regional verschieden, in Kalabrien oft rege.
Wenn ihr also kurz gehupt werdet, ist dies als freundlicher Hinweis zu verstehen, daß ein Automobilist euch wahrgenommen hat und nun in vorgeschriebenem Mindestabstand überholen wird. Auch und gerade LKW geben Schallzeichen. Eine unfreundliche Beschallung zeichnet sich durch einen länger währenden Ton aus.
Das hundertmalige Gehupe am Tag, ob freundlich oder nicht, kann entnerven!
Insbesondere im Gebirge herrscht oft Kriechverkehr. Frauen und Bauern fahren zurückhaltend und freundlich.
In den Orten geht es allerdings etwas peppiger zur Sache: hier regiert die männliche Jugend.
Oft ist die Vorfahrt Verhandlungssache, und derjenige, der sie sich einfach nimmt, hat sie. Man sollte den Willen der Kontrahenten, auch für einen Radfahrer abzubremsen, dabei nicht überschätzen.
Hat man sich erstmal in den nervösen Takt eingefunden, wird das Mitschwimmen im Verkehr ganz einfach. Wichtig ist nur, die Oberhand im Verkehr zu behalten und den Minderberechtigten per Blickkontakt und autoritären Gesten zum Halten zu zwingen.
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Verkehrsampeln werden in manchen Gegenden nicht beachtet, insbesondere auf der 'italienischen' Seite Kalabriens, der Ionischen Küste. Ihr solltet es unterlassen, euch auch hier anzupassen. Nicht nur ist das für Novizen gefährlich, überall fährt auch Polizei herum und Radfahrer sind nicht von den Regeln ausgenommen. Italienische Strafzettel kosten mehr!
In Süditalien ist es unüblich, vor dem Aussteigen in den Spiegel zu schauen. Radfahrer sind nahezu ausgerottet. Folgerichtig bekommt ihr mengenweise Autotüren ins Gesicht. Rechnet überall damit und beobachtet, in welchen am Straßenrand parkierten Fahrzeugen Leute sitzen!
Prinzipiell darf man aber auf freundschaftliche Rücksichtnahme der meisten Autofahrer rechnen. Verdrängende Wettbewerber im Straßenraum stellen dagegen die Motorini (Rollerchen, Moppedchen) dar. Die Jungs freuen sich daran, den Radler gründlich in die Gosse zu schicken.
Reisezeit
Ich war Ende Mai bis Anfang Juni in Kalabrien unterwegs (Teil II - Teil I Anfang Mai).
Ab April gibt es an der Küste Chancen auf Sonne. Auch Anfang Mai kann das Wetter noch wechselhaft sein.
Das Klima im Gebirge über 1000 m ist ein völlig anderes. In der Sila beispielsweise ist es ganzjährig feucht und kalt und die Leute haben lange Sachen an! Nur im Hochsommer wird es wärmer und trockener. Auf 1800 m kann man ähnlich wie am Feldberg (Schwarzwald) im Winter ausgezeichnet Ski fahren. Es handelt sich bei den inneritalienischen Gebirgen daher nicht etwa um glühende Felswüsten. Heiß ist es nur in den Aufstiegsbereichen.
Der Kalabrese findet es selbst im Mai noch zu winterlich und kalt zum Baden im Meer. Die Temperaturen sind in der Tat noch frisch, aber nordseegewohnte Deutsche können die Kälte darin nicht recht erkennen.
Erst im Juni regt sich zaghaft etwas Strandleben.
In den Monaten Mitte Juni bis August würde ich aus klimatischen Gründen von Radtouren ins Landesinnere Süditaliens abraten. Oben angekommen auf mindestens 1500 m ist es zwar erträglich, aber die Aufstiege glühen. Von den Leuten wird der mittägliche Radsportler für verrückt gehalten, während jedermann Siesta hält. Hinkriegen kann man es schon - allerdings zu welchem Preis?
Alternative Reisezeit:
Anfang September bis Ende Oktober. Im September ist es noch sommerheiß, Vorsicht. Im November und Dezember dagegen ist auch in Süditalien die Sonne weg und Wasserkatastrophen drohen. Die Gebirge sind vollgesogen mit nassen Wolken. Camping auf Zeltplätzen stößt im Oktober auf Probleme!
Saisonöffnung
Die Urlaubsquartiere an der kalabrischen Küste sind oft erst ab Mai geöffnet. Das betrifft insbesondere die Zeltplätze.
Nehmt unbedingt einen aktuellen Campingführer mit Angaben zur Saisonöffnung zuhilfe, z.B. den 'echten Italiener': Touring Club Italiano - Campingführer Italien. In jeder Buchhandlung. Nicht alle Angaben sind zuverlässig und er enthält auch nur die größeren touristischen Plätze, aber er ist besser als gar keine Information. Kopiert daraus den Teil Italiens, den ihr benötigt. Web-Campingführer für Italien sind oft schlecht redigiert, nicht aktuell und sehr unvollständig. Ich empfehle sie für eine Radtour mit Spontan-Übernachtungen nicht.
Preislich ist es bei Übernachtungen ein Riesen-Unterschied, ob ihr in der 'Bassa Stagione' (Nebensaison) oder in der 'Alta Stagione' (Juli/August - alles andere ist Nebenkram außer im Wintersport am Aspromonte) reist. In der Hauptsaison zahlt man das Doppelte, beim Zelten sogar manchmal noch mehr. Außerdem kriegt ihr dann an der Küste kaum eine Übernachtung verkauft: Tutto completo!
Unterkunft / Zelten
In Kalabrien habe ich überwiegend im Zelt übernachtet, einige Male flüchtete ich in feste Bauten.
Typischer Preis für eine Zeltplatzübernachtung in der Vorsaison ('Bassa stagione'): ca. 10,- € für 1 Person / kl. Zelt / 1 bici. Hochsaisonpreise für gleiche Leistung das Doppelte, jedoch stark schwankend.
Die Zeltplätze kommen erst bis Mitte Mai in Schwung und schließen relativ früh - sehr wenige inserieren Ganzjahresbetrieb, doch ob das dann auch so ist? Außerhalb der Sommerferien ist es den empfindlichen Italienern ohnehin zu kalt zum Zelten.
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Die Campinggelegenheiten sind hauptsächlich an der Küste gelegen und orientieren sich stark am Wohnmobiltourismus, bzw. an den JAhresferien der Städter im 'Villagio', d.h. in andere Richtungen, als der Radtourist brauchen kann.
Wenn die Hauptklientel der mitteleuropäische Motortourist ist, findet man folgerichtig auf solchen Plätzen: Ruhe - Ordnung - Sauberkeit (jeweils in verträglichen Maßen).
In eine ganz andere Richtung gehen die Plätze für den 'italienischen' Tourismus - da ist Rambazamba bis 3 Uhr morgens das oberste Gebot - schließlich möchte der Italiener im Urlaub was erleben und die Bimbi sind auch schon zu heiratsreif.
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Die Exzesse mit 'Animazione' bis 2 Uhr früh kommen unvorbereitet - man inspiziere die anvisierte Übernachtungsmöglichkeit zuvor sehr gründlich!
Andererseits ist das, was italienische Strandgäste als 'Struktur' (Einrichtung, das trifft es besser) akzeptieren, oftmals mehr als himmelschreiend, und man sollte sich insbesondere an der ionischen Küste auf ganz schlimme Verhältnisse alter italienischer Art einrichten. Ein bißchen herumsuchen hilft.
An der Tyrrhenischen Küste ist dagegen der Standard fast immer hoch - viele der auf Motortourismus ausgelegten Campingplätze sind dennoch für den Radfahrer nicht schön zu benutzen.
Im Landesinneren gibt es im großen und ganzen nur die Gelegenheit, auf Agriturismo-Höfen zu zelten. In Naturparks gibt es manchmal ausgewiesene Flächen für 'Wildzelten', d.h. Zelten ohne 'Einrichtungen', z.B. im Aspromonte bei Gambarie.
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Wild zelten, wie es unsere Althippies gerne tun, stößt in Kalabrien auf viel Stacheldraht und Hofhunde mit feiner Nase:
Auch die Wälder sind teils verstacheldrahtet 'Proprieta privata!' In Naturparks ist das zum Teil nicht so, aber das Gelände gibt oft keinen Standplatz her und außerdem ist Zelten nicht erlaubt. In den Weiten der Hochebenen läßt sich aber sicherlich das eine oder andere Plätzchen erspähen.
Übernachtungspreis für einfaches Hotel Einzelzimmer 'Bassa Stagione': ca. 40,- - 50,- €.
Manchmal wird von einem Listenpreis darüber in der Nebensaison noch ein Rabatt gewährt bei Spontanbuchung. Fragen, falls es nicht von vornherein angeboten wird. Die Leistungen sind manchmal mangelhaft, z.B beim Flughafen Lamezia Terme. Dort sollte man noch ein Stück Strecke fahren, bevor man übernachtet, wenn die Zeit reicht.
Oft wird im Hotel kein Restaurant, sondern nur eine Bar (siehe unten) geboten, und manchmal ist die nur halb in Betrieb (Nebensaison).
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Übernachtungpreis für Pensionszimmer (Bed & Breakfast, Albergo, Pensione u.a.) / Agriturismo (ländliche Pension auf Höfen) Einzelzimmer 'Bassa Stagione' ca. 25,- - 35,- €. Hier sind keine Rabatte üblich, jedoch insbesondere in den staatlich subventionierten Agriturismo-Betrieben oft ein hoher Standard, der die manchmal abgerissenen kleinen Hotels bei weitem übertrifft, sowie - auch in vielen B&B und Alberghi - liebenswerte persönliche Betreuung.
Im Umfeld eines Agriturismo findet sich meist jemand mit Deutsch- oder Englischkenntnissen, damit der Aufenthalt nicht am mangelhaften Italienisch gebricht. Der Verzehr mindestens eines kleinen Essens ist in Agriturismo-Pensionen üblich, die Rechnung fällt am Ende ca. 10,- - 20,- € über dem Übernachtungspreis aus (pro Person, je nach Getränk und Zahl der 'platti').
Im Landesinneren hatte ich größere Orte, die kein nach außen sichtbares oder erfragbares Albergo oder Hotel aufwiesen.
Wenn ihr in nicht zuvor eruierter Gegend übernachten wollt, rechtzeitig 2 Stunden vor Sonnenuntergang Ausschau halten.
Die Zentren der Naturparks sind touristisch gut erschlossen.
Unproblematisch ist immer spontanes Übernachten an der Küste, außer Wildzelten am Strand - da seid ihr nicht lange.
(Hinweis: der Absatz Hotels und Pensionen speist sich aus Erfahrungen einer 2-monatigen Reise durch ganz Italien, ist aber speziell auf Kalabrien bezogen)
Versorgung / Siesta / Preise
Nahrungsbeschaffung und allgemeine Versorgung unterscheiden sich in einigen Details von derjenigen eurer Heimat.
In einem Punkt herrscht, der Jungfrau Maria sei gedankt, Gleichtakt: das Geld ist heutzutage dasselbe, wodurch die bereichsweise vorhandenen Preisunterschiede besser aufscheinen.
Typisch für Italien ist die Versorgungsunterbrechung in der Mittagszeit für 3 bis 4 Stunden, wodurch man besser disponieren muß, wie man durch den Tag kommt. Außerdem gibts zum Mittag nix Gescheites zum Essen, die Küche hat zu bis abends.
In Not-Essgelegenheiten gibt es ein bissel Junk Food, meist aber kein Pizza, wie ihr das gerne hättet.
Daher kommt Italien für manche von euch, die um 12.00 mit umgebundener Serviette und gewetztem Messer Braten und Pommes umbringen wollen, eher nicht als komfortable Radel-Gelegenheit in frage.
Wohl bekommt man in Italien aber Süßes, Eis und auch belegte Brötchen oder in proletarischeren Etablissements die junk-haften 'Sandwich', ein Burgerimitat aus Billigmaterialien sowie weiteren Ex- und Hopp-Fraß in der Mittagsstunde (in der Stadt etwa Hendl vom Grill bei 40° draußen). Entsprechende Etablissements kennt man als 'Bar', aber auch als 'Panini' oder gar als 'Sandwich'.
Sämtliche ehrbaren Geschäfte haben ab ein Uhr oder früher zu, da deren Inhaber nun den Mittag in der Bar oder zu Bette verbringen. In manch kleinem Famlien-Laden auf dem Land harrt aber hinter herabgelassenm Rollo doch noch wer aus, der dem Radler in der Not eine Flasche Brause verkauft. Seht nach!
Die Mittagszeit stellt den Radler eben oft vor das Problem, Getränk nachzubunkern, das in kräftezehrendem Berganstieg zu ende ging. Das wiederum ist in der B a r möglich, allerdings wird dort das Getränk oft nicht zum Kauf ausgestellt, sondern man muß an der Theke danach fragen (Acqua bzw. Bibite für Limo). Es wird allerdings ganz regulär verkauft und obwohl es oft das 3-fache des Supermarktpreises kostet, ist es, sofern es sich um Wasser handelt, im Vergleich zu Deutschland immer noch ein akzeptabler Preis. Wasser in Flaschen ist nämlich spottbillig in Italien und wer im Laden nur 1 Flasche Wasser kauft, wird daher in frequentierteren Lagen scheel angesehen.
Das Kaufen einer Flasche Wasser in der Bar ist, obwohl als Bückware gehandelt, dagegen kein Affront gegen den Inhaber.
Sämtliche anderen Güter werden in der Bar dagegen in Kleinstpackungen abgegeben zu fantastischen Preisen, die in Euro erst so richtig offenbar werden. Davon lebt der Barista.
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Güter vom Bedientresen, wie ein Tropfen Espresso ('caffé') oder etwa mittags noch vorhandene Backwaren werden dabei mit Selbstbedienungsartikeln gemischt zu einer meist separat vorhandenen versteckten Cassa getragen und zusammen bezahlt. Trinkgeld ist bei der separaten Kasse nicht vorgesehen.
Ebenso sind mindestens Radtouristen zuschlagsfrei willkommen auf einem allfälligen Freisitz oder in einer dementsprechenden Sitzgarnitur, soweit der Verzehr zuvor an der Cassa beglichen wurde.
Ihr dürft also bedenkenlos Platz nehmen und euere knallbunten Utensilien um euch herum aufbauen, auch wenn in Reiseführern immer dazu angehalten wird, in der Bar zu stehen.
Mitunter wurde mir der vorausbezahlte Verzehr auch *kostenfrei* vom Personal auf der Terrassa kredenzt, da man dem ausgezehrten Radler das Stehen am Tresen nicht zumuten wollte.
Allerdings hatte ich auch unverschämte Verkäufe resp. Nichtverkäufe in Bars, insbesondere in den Tankstellen-Bars, die in gewisser Weise unseren Tankstellenkiosken entsprechen, denn an der eigentlichen Tankstelle bekommt man in Italien nur Kraftstoff. Nur wo 'Bar' dransteht, gibts auch sonst was zu kaufen. Wie früher auch im deutschen Lande, ist der Ton an der Tanke (-Bar) ein rauher! Es gab auch nette Tankistinnen mit viel kostenfreiem Service - es ist wie so oft Glücksache.
Der Caffé (Tropfen Espresso mit soviel Zucker wie Wasser), von dem die Stammgäste in einiger Zeit meist 2 oder 3 oder 4 nehmen, ist das Hauptprodukt der Bar und in Einzelportionen ungewohnt billig. Natürlich gibt es im angelsächsisch-deutschen Bar-Sinn auch alkoholische Getränke. Deren Konsum ist aber bei Einheimischen untertags nicht populär. Die Hitze mittags und der Alk - das haut euch um.
In Kurzfassung die sachgerechte Order der Caffé-Sorten (ganzer Tag):
Caffé (Kaffää)
nur 1 Tropfen, mit Zucker bis unters Dach (nehmt ihr euch vom Tütchenhaufen), zu deutsch Espresso. Kostet im Dorf oft nur 70 Pfennig.
Lungo (lung-go)
dasselbe mit etwas mehr Trinkcharakter, d.h. Wasser steht bis Kante Mikrotasse, gebräuchlich für schnelle Bestellung einer Mehrmenge
Doppio (Dop-pio)
Caffé x 2, passt immer noch in die Mikrotasse hinein, der Barista hat den Doppio nicht so gern - dauert doppelt so lang
Americano (Amerikahno)
In Touristenorten üblich, wird euch oft gleich beim Entgegentreten des Tresens angeboten, um Beschwerden zuvorzukommen:
Ein mitteleuropäisch aufgemachtes Getränk in mittlerer Tassengröße, basierend auf Lungo-Derivaten mit Milchgehalt und Schäumen.
Befriedigt den Appetit auf eine Tasse Kaffee bei 5 Minuten Pause am ehesten. Preislich immer noch billiger als 'e Tass' Kaffee'aus deutschen Landen.
Cappuccino (Kap-putschihno)
Wie in der Heimat ein süßliches Milchschaumding mit etwas Kaffee drunter. In der Menge viel geringer als gewohnt.
Für den Radler ist die Bar die mittägliche Rettungsstation, falls Nahrung und Wasser ausgegangen sind.
Dementsprechend gilt es morgens im Supermercado zu günstigeren Preisen ausreichend davon zu bunkern, soweit das Gesamtgewicht es noch zuläßt.
Italien ist heute das Land der billigen Industrienahrung ähnlich wie die ganze alte EU. Im Supermercado werdet ihr die abstrusesten Fertigprodukte finden, von denen die meisten sich der Jungfrau Maria sei Dank nicht für den Transport per Rad durch den Hitzetag eignen. Im Käse 'Scamorza' in Kleinpackung (ähnl. und doch anders als Mozzarella) fand ich jedoch ein sehr gut hitzebeständiges Nahrungsmittel, wenngleich ihr euch wohl erst an dieses gummiartige Ding mit dem Böppel gewöhnen müsstet.
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Die Preise für viele radfahrgeeignete Viktualien wie Milchprodukte oder Nüsse liegen bei weitem höher als in Deutschland. Auf dem Land besteht auch ein entsprechender Warenmangel. Auch Schinken, Wurst, Käse und Ölzeug von der Theke sind deutlich teurer als in Deutschland. Natürlich kommt es sehr darauf an, was man wo kauft. Es gibt Billigsupermärkte wie in D auch, aber nicht immer werdet ihr einen finden und nicht jeder steht drauf. Übrigens herrscht dort oftmals Packungszwang, so daß man 4 Liter Cola kaufen muß oder verrecken darf.
Dafür gibt es überall noch kleine Spezialitätengeschäfte, wo der verbeamtete Genußradler mit höherem Anspruch nach Herzenslust schwelgen und die Hökerinnen erfreuen kann.
Früchte sind oft preisgünstig, Brot und Wasser sind subventioniert billig (daher werden Backwaren auch immer abgewogen in Pfennigbeträgen verkauft, damit nichts verschwendet wird).
Eine Eigenart ist die noch vorhandene starke fachliche Aufteilung der Sortimente auf unterschiedliche Geschäfte. Wo kein Conad Supermercado auszumachen (was der Fall sein kann), muß sich der von Zeitnot geplagte Radler (Etappe, Etappe, Etappe) durch mehrere Bedienläden fragen. Schlangestehen gehört meistens dazu. Italiener stehen gerne!
Generell müsst ihr für Unterwegs-Verpflegung mehr einplanen als in D üblich.
Das Angebot an radfahrertypischen Ernährungshilfsmitteln wie Riegel, Schokolade oder Dopingfraß ist dürftig und völlig überteuert. Außerdem sofern schokoladehaltig äußerst unpraktikabel.
Ihr müsst umsteigen auf die Nutella-basierten, auslaufgeschützten Konstruktionen der italienischen Fertigbackwaren-Industrie. Die werdet ihr aber bald satt haben.
Individualgebäcke der 'Pasticceria' sind empfehlenswerter.
Eure gewohnten Kraftlimonaden sind weit verbreitet und gelten als schick. Italien als Land der Großpackung bietet sie in allen abstrusen Flaschengrößen. Oft ist die größte die teuerste (prozentual!). Immer nachrechnen!
Die italienische Mogelpackung sorgt auch nach dem Kauf immer wieder für Heiterkeit. Probiert sie aus.
Calabria ist zwar sehr natürlich, doch es gehört dem Land des hemmungslosen plebejischen Konsums an.
Radfahrerinnen, die nur von frischen Früchten getrieben werden, finden allerdings in Süditalien ihr Paradies.
An jeder Ecke, insbesondere auch an belebten Straßenkreuzungen außerorts gibt es große und kleine Obststände, die manchmal auch außerhalb der üblichen Öffnungszeiten anbieten, wohl auch viel schwarz. Man kann übers Ohr gehauen werden, oft ist der Preis aber günstig. Das Obst ist erntefrisch und lokal. Probieren ist fast immer möglich.
Wenn alles aufgegessen ist, kann man ab etwa 4 Uhr nachmittags bis abends um 8, manchmal in kleinen Läden bis 10 wieder neue Sachen kaufen, z.B. Bier für den Abend. Das italienische Bier finde ich ganz ausgezeichnet. Es hat einen schlechten Ruf. In Kalabrien überall zu kaufen.
Geniessbare öffentliche Brunnen oder Quellen habe ich in Kalabrien hauptsächlich im feuchten Mittelgebirge gefunden, oftmals im Umfeld der beliebten Schutzheiligen, im sommertrockenen Vorgebirge sollte man nicht drauf zählen.
Sonntagsöffnung
'Domenica aperto' ist ein Plakat, das der durstige Radler gerne liest.
Im Gegensatz zur rigiden Sperrstunde über Mittag sind im katholischen Gottesstaat viele Einkaufsgelegenheiten am Sonntag vormittag geöffnet, wenige auch nachmittags. Es scheint also möglich, den heiligen Tag über auch das Werk der Nächstenliebe zu vollbringen und Hungernde und dürstende Sportler kostenpflichtig zu beköstigen.
Italienisches Frühstück
Dieses berüchtigte Mahl ereilt euch in Festunterkünften oder nach dem Zelten in der Bar.
Ihr kriegt einen Tropfen Caffé oder einen Cappucino und folienverpackte Minigebäcke aus der Großpackung. Meistens ist das Nutella schon eingebaut, ansonsten kommt es in einem extra Folientiegelchen von 5 Gramm. Auch ein ebensogroßes Portiönchen Marmelade mag dabeiliegen und schon ist das 'Colazione' fertig. Auch die örtlichen Schulkinder erhalten ähnliches.
In der Bar wird immerhin ein Mini-Hörnchen namens Cornetto verkauft, das mit Nutella ('cioccolato' - *lach*), Marmelade ('marmellato') oder mit Quark ('crema') erhältlich ist. Meistens ist es für euch in der Hektik des Morgens gar nicht erhältlich, weil die Einheimischen lauter und im Lokaldialekt nach ihrem Cornetto schreien können - ihr wart noch nicht in der Bar frühstücken.
Ihr seht: Kalabrien ist nicht das Land des Frühstückens. Fahrt woanders hin, wenn ihr es braucht. Man kann das Colazione bei den Übernachtungen übrigens oft abwählen. Die Wirte mögen es eh nicht.
Sonstige Sortimente
Vieles findet sich nicht an seinem von Deutschland gewohnten Sortimentsplatz:
Habt ihr um Fluggewicht zu sparen, kein Sonnenmittel mitgenommen, seid ihr nun ein typischer Fall für die Farmazia, zu Apothekenpreisen!. Im Supermercado gibts das nicht - anders als von Touristenanlagen gewohnt.
Sonnen- und anderes Körperzeug gibts auch in der Parafarmazia (Drogerie) oder Profumeria ('Damengeschäft'), beide ebenfalls erheblich teurer als der heimische dm-Markt.
Duschseife dagegen ist wieder im Tanten-Laden zu kriegen.
Sofern ihr Armen mit dem Fluuuuchzeuch hergekommen seid, musstet ihr vielleicht auch euer Kochgas zuhause lassen. Gas gibts neben den Läden auf Zeltplätzen und wenigen Supermercadi in Badeorten in der 'Ferramenta' (Eisenladen), insbesondere Schraubkartuschen sind so gut wie gar nicht erhältlich!
Also französischen Kocher mitnehmen oder sich durch dutzende Ferramenti in den Städten durchfragen. Schraubkartuschen werden in Italien teilweise auch zum Löten eingesetzt.
Universelle Fahrradteile wie Schrauben, Werkzeug, Flickzeug, Schläuche, aber auch Mechanikerhilfe gibt es in den unzähligen Werkstätten für Motorini, am besten nach einer Piaggio-Akkumulation Ausschau halten oder zum größten Motorini-Händler vor Ort durchfragen, die verkaufen oft auch Räder (die meisten für Kinder).
Radläden gibts nur in größeren Orten an der flachen Küste wenige - außer Kampfradeln ist Radfahren in Kalabrien eher ungebräuchlich, der Kalabrese hat Benzin im Blut! Die Radläden sind dann auch nicht sehr gut mit Ersatzteilen im ATB-Bereich bestückt.
Ein Fazit:
Die Versorgungslage ist ok - die Preise sind an der Küste höher, im Landesinneren, wo selten Touristen aufscheinen, niedriger (nicht für Übernachtungen in Touristenorten!).
Wegen der hohen Temperaturen sind manche gewohnten Nahrungsartikel unbrauchbar, da sie ihren geniessbaren Zustand rasch ändern.
Das Mittagsloch läßt sich mithilfe einer 'Bar' überleben, wenn es eine gibt.
Essen gibts in der Wirtschaft erst abends, wenn das Radfahren um ist.
Oft findet man die Artikel nicht in dem Geschäft, in dem man es von Deutschland gewohnt ist: suchen + umgewöhnen!
Geld und Reichtum
Auch in Süditalien gibt es in jedem größeren Dorf sowie an allen prominenten Touristenstationen Geldomaten, dort 'Bancomat' genannt. Alle gängigen Kreditkarten sowie die Maestro-(Bank-)Karte werden angenommen. Manipulationen an Automaten sind nicht mehr oder weniger zu erwarten als in Deutschland. Man kann die Karte bedenkenlos einsetzen. Die Gebühren für das Geldholen mit der Maestro-Karte sind erstaunlich günstig (günstiger als in Deutschland bei Fremdinstituten, teilweise sogar als bei der eigenen Bank auswärts). Der Nachteil der Maestro-Karte (früher EC-Karte) ist: wenn sie weg ist, seid ihr bankrott. Kreditkarten werden unterwegs ersetzt.
Ihr solltet also noch ein Reservezahlungsmittel dabei haben.
Als Rettung kann man sich in Ballungsräumen Cash per Western Union schicken lassen.
Amex-Reiseschecks kriegt man heute in Italien kaum noch los - sie bedeuten Geldbunkervormittage in den größten Banken der Provinzhauptstädte, Klinkenputzen, Betteln, stundenlanges Warten, inquisitorische Befragungen und durchschnittlich 8 % Bearbeitungsgebühren und Provisionen. Vor wenigen Jahren war das noch anders.
Allerdings sind sie nach wie vor sehr sicher, wenn auch kompliziert im Gebrauch.
Bessere Akzeptanz scheinen Visa-Reiseschecks zu haben.
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Wie sprechen?
Italien ist das Land des Italienischen, so hört man oft und es ist auch gar nicht so verkehrt.
Mit etwas Italienisch, verstärkt durch ein praktisches Hexaglot oder ganz altvordern durch ein Reisewörterbüchlein, kann man in Italien viel bewirken. In Süditalien ist aber Italienisch selbst eine Art Fremdsprache, da hier für Deutsche unverständliche Dialekte gesprochen werden.
Der deutsche Rennpilot wird sich aber wundern, wie oft er auf der Straße angesprochen wird von älteren Herren mit prima Deutsch, woher er denn komme, man selbst wäre in Bottrop, Ulm oder der Schweiz gewesen.
An Deutschsprechenden ist wirklich kein Mangel, allerdings treiben sich die Älteren, die sich als Gastarbeiter in Deutschland oft ein schöne Rente erarbeitet haben und dieses Land ungefragt in den höchsten Tönen loben, meist nachmittags und abends auf der Piazza vor der Bar herum. Oft bräuchte man aber woanders Hilfe.
In der touristischen Gastronomie an der Küste und anderen Hotspots spricht das Personal fast immer deutsch.
Meistens auch Englisch.
An Orten des Inlandstourismus habe ich aber auch Hotels ohne irgendeine fremdsprachliche Anbindung erlebt, z.T. wurde diese sogar in unverschämter Form zurückgewiesen: in Italien sei die Sprache Italienisch und Basta!
Wer das nicht wolle, solle zuhause bleiben.
Damit es nicht so kommt, können junge Menschen mittlerweile darauf bauen, daß ihre italienischen Altersgenossen zu einem ganz guten Englisch-Unterricht verpflichtet sind, von wegen Internet und Globalisierung und alles. Italien ist ein Export-Staat.
Akademiker sprechen immer Englisch und oft wird auch ausgezeichnet Französisch und Deutsch gesprochen.
Übrigens hatten sich mir auch englisch- und französischsprachige ehemalige Gastarbeiter erboten - in der tiefsten Provinz.
Mit einer solchen Auswahl an gesellschaftlich verteilten Sprachmöglichkeiten kann man jederzeit eine Verständigung herstellen, wenngleich ein minimales Üben der italienischen Grundkommunikationen immer einen guten Eindruck hinterlassen wird.
Die Sprache ist prinzipiell einfach zu erlernen. Die grammatischen Tücken, die in Sprachkursen gerne gedroschen werden, sind eigentlich nicht das Relevante. Wichtiger ist ein bisschen Wortschatz, und der ist wegen des schönen Wohlklangs der Sprache nicht so schwer zu pauken. Die passenden Wendungen hört ihr dann auf der Straße.
Was auftragen?
Bei der Nacharbeit meiner Fahrt stieß ich wieder einmal auf fast jeder Themenseite auf den für Italien-Touristen vorgeschriebenen gediegenen Kleidercodex der 50er Jahre, an den sich eh kein Tourist hält.
Wie ist das nun mit den Ciclisti? Dürfen die in kurzen Hosen rumlaufen?
Ja, aber natürlich überall, außer vielleicht Sonntags in der Kirch, solange es nur der bekannte buntgestreifte Radlergummi mit vielen lustigen Buchstaben ist, bei dem sich der Schwanz so prominent ausbeult.
Italiener mögen es so, wie es alle machen, insbesondere die Großen im Fernsehen, und solange ihr als Knallbonbon einherstolziert wie Ivan Basso, könnt ihr unbehelligt durch jede Stadt tippeln und überall einkehren, wenns nicht ins Ristorante nach acht Uhr geht.
In der Bar kriegt ihr sogar einen Ehrenplatz, wenn ihr so richtig schön bunt seid.
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Schwerer haben es da schon Studenten und Oppas, die ordinäre kurze Hosen ohne TV-Attribute auftragen.
Doch keine Sorge: Im heutigen Italien, 50 Jahre nach den 50er Jahren könnt ihr auch als einfache Kurzhosenradler überall herumlaufen, auch im Museum, auch in der Apotheke. Ihr solltet halt nicht zu sehr stinken. Italien mag Seife. Evtl. Wechselkleidung heranziehen.
Nackte Füße in Sandalen sind als legere Kleidung bei den Einheimischen weit verbreitet und überall akzeptiert, auch bei Anlässen des täglichen Lebens
Während die höheren Kasten auch bei Bullenhitze enge Lederschuhe und mehrteilige Anzüge tragen, laufen, insbesondere in der Stadt, viele jüngere Einheimische in kurzen Hosen und den modischen Flipflos herum. Junge Frauen gehen sommers auch in Süditalien sparsam bekleidet auf die Straße, damit man sieht, was man bekommt.
Ihr müßt eure Garderobe also nicht im altbackenen Reiseführerstil umgestalten.
Um bei Stadtbesichtigungen nicht schon von weitem aufzufallen, habe ich dort allerdings schon lange Hosen benutzt, die ich vor den Toren dann von mir warf. Aufgefallen bin ich dann trotzdem.
Ein Wort zur Todsünde der Freikörperkultur:
Überall steht zu lesen, daß die Ausübung derselben mit unmittelbarer gesellschaftlicher Ächtung und hohen pekuniären Einbußen verbunden sei. Dabei gibt es in Kalabrien sowohl offizielle (z.B. Capo Rizzuto) als auch schöne wilde Nacktbadestrände. Viele Nackte gibts dort aber nur zur Hochsaison. Man muss sich nur kundig machen.
Wie falle ich nicht auf?
Wenn ihr die übrigen teutonischen Kalabrien-Touristen erst mal gesehen habt, seid ihr euch selbst schon weniger peinlich.
Natürlich fallt ihr auf. Jeder sieht auf 30 Meter, daß ihr mit eurem buntischen Angeberkram Deutsche seid. NUR Tedesci sind so! Ihr werdet oft genug auf Deutsch angesprochen werden.
Radfahren ist bei den Einheimischen was für Kinder und Fernsehhelden, die gute Frauen kriegen.
Ihr seid auffällig große Kinder.
Bei der Verständigung gehts oft drunter und drüber. Die Ansässigen führen euch manchmal absichtlich vor. Das ist normal. Selbst wenn ihr perfektes Sprachlehrer-Italienisch könntet - jeder würde sofort erkennen, daß ihr fremd seid: in Kalabrien werden völlig unverständliche Dialekte gesprochen.
Was guggn?
Kalabrien ist wie ganz Italien voller interessanter Plätze für jeden Geschmack. Man muß nur der Nase nach fahren und mal nachsehen.
Unmöglich kann man alles mitnehmen in einer Tour. Ihr müsst auswählen.
Fürs Radfahren in Kalabrien ist natürlich zuerst die sehr abwechslungsreiche Landschaft das Beguggenswerte. Auch die historischen Straßen selbst sind höchst beachtenswert und ideal für den kräftigen, bummellanten Radfahrer geeignet, da verkehrsarm
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Es lohnt sich fast überall, einen Abstecher ins Gebirge zu machen, obwohl insbesondere auch die bekannte tyrrhenische Küste selbst ein Bringer ist.
Die insbesondere von Süden und Westen oft felsigen Anstiege mit Nutzgärten und Macchia gehen ab einer gewissen Höhe in üppigen Niederwald über und weiter oben in feuchte Misch- und Nadelwälder.
Der Aspromonte mit seinen kringeligen Straßen ist bestimmt eine sehenswerte Gegend. Zu den Gefahren siehe unten. Der/die Gipfel sind als solche jedoch unspektakulär.
Ebenso interessant sind die Serre weiter nördlich. Klamm und kalt die Sila mit ihren touristisch erschlossenen Stauseen. Die stark besiedelten Anstiege der Sila sind dennoch schön zu fahren (nicht auf der Superstrada SS 107, während u.a. die SS 108 bis/ter, die SS 109 sowie die SS 179 empfehlenswert sind.)
Auch der steile Küstenkamm am tyrrhenischen Meer hat seinen Reiz.
Im Pollino war nicht wegen Zeitmangel nicht mehr, aber man hört auch von diesem Nationalpark nur Gutes.
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Darüber hinaus fallen die vielen Mauern aller Zeitalter und Stile ins Auge, vor allem hier in dieser Webpräsentation.
Sofern Zeit besteht, lohnen sich Stadtbesichtgungen, in den Höhenstädten auch zu Fuß, unbedingt. Sucht euch die nächstgelegene Stadt aus
Sowohl Catanzaro wie auch Cosenza (Vecchia) bieten interessante Draperieen. Sogar Reggio lohnt einen Blick für diejenigen, die kein Korsett von Reiseführer-Abhakstellen benötigen (Reggio wurde vor hundert Jahren stark zerstört). Wahre Höhepunkte bilden jedoch die zahlreichen authentischen Kleinstädte in den Bergen, von denen ich Stilo, Squillace und Borgia im Osten inspizierte. Ebenfalls empfohlen wird Serra san Bruno in den Serre.
Aber auch das sonstige Landesinnere sowie die Westküste bieten lohnenswerte Ortschaften - ganz ohne '..und was muß man da gesehen haben?'
Für intellektuelle Italien-Fahrer läßt sich in den größeren Städten die stilistische Breite des Betonskelettbaus im 20. Jahrhundert studieren. Viel Freude.
Kalabrien verfügt auch über einige antike Stätten an den Küsten, die meist nicht so bekannt sind, z.B. Capo Colonna bei Crotone oder Locri Epizefiri. Weil sie oft verkehrsgünstig liegen, bietet sich ein Zwischenstopp an, wenn ihr euch an Steinen erfreuen könnt.
Eine für jüngere Menschen noch knapp brauchbare Clubszene haben die Provinzhauptstädte, wobei Cosenza (zweieinhalbtausend Jahre alt) mit einem sehr großen Campus weit vor den Toren der Stadt die jugendlichste sein dürfte. Reggio als Hafenstadt macht aber auch was her.
Weite, oft freie Strände bietet vor allem die ionische Küste, dabei schiens mir vor allem im Süden und bei Catanzaro recht cool abzugehen - aaaber die Verhältnisse sind dort eher italienisch, weshalb sich die Genußreisenden wohl weniger der teils vermüllten Strände am Iono erfreuen werden.
An der Westküste, der Costa tirrenica, ist alles viel mehr touristisch geordnet und reglementiert, sauber und adrett, und von BMW-Paaren resp. Staatsangehörigen in Altersteilzeit bevölkert. Also da is nix mit kool :(
Ist Radeln in Kalabrien gefährlich, werde ich bedroht, beraubt, beklaut?
Kurz gesagt: Nein. Ihr könnt euch auch abseits der Hauptstraßen bedenkenlos überall bewegen.
Die Idee, daß Gangster hinter der Kurve auf euch warten, weil man so viel von der 'Ndrangheta liest, ist falsch.
Die hat eher den Impetus, Touristen auf natürlichem Wege auszunehmen, d.h. über die (Groß-)Gastronomie. Die Provisionen strangulieren den Gast nicht.
Ich habe mich während meines gesamten Aufenthalts nur einmal leicht unsicher gefühlt, und das war wegen Immigranten so und nicht wegen einheimischen Buschräubern, nämlich in der Ackerbürgerstadt Rosarno an der Tirrena Inferiore (Küstenhauptstraße) im Süden Nähe Reggio. Siehe dort.
Das Problem ist ja mittlerweile auch in den Medien bekannt gemacht worden, und die Behörden scheinen gehandelt zu haben. Man darf sich aber fragen, ob es nicht doch so weitergeht.
Auf dem Land habe ich kaum mein Rad abgeschlossen. Die Einwohnerschaft lebt die Gesetze Jesu Christi: Du sollst nicht nehmen deines Nächsten Hab und Gut.
In Reggio, wo sich sicher auch andere Anschauungen Raum greifen und in den gepflegten Seebädern der Westküste war ich etwas umsichtiger, sah mich aber zu keiner Zeit in Gefahr.
Ich konnte nirgendwo undurchsichtige Aktivitäten auf der Straße ausmachen wie dies in anderen Weltgegenden durchaus vorkommt.
Die Frage aller Fragen für Kalabrien ist:
Was mache ich im Stammesgebiet der Mafia im Aspromonte?
Stehen aufgepfählte Köpfe am Wegesrand, steigt Pulverdampf über den einsamen Tälern auf?
Nichts! Man sieht wohl das eine oder andere kugeldurchsiebte Straßenschild, aber das ist wohl nur übermütige Dekoration. Die Leute, denen man begegnet, sind herzlich, auch wenn sie bissige Hunde besitzen.
Für gewerbsmäßige Räuber lohnt es sich wohl nicht, den Radfahrern in der Einsamkeit aufzulauern. Während meiner Aspromontebefahrung war ich in weiten Teilen allein zu haus.
Aber in Gambarie (ein Touristenort hoher Kapazität) hat die 'Ndrangheta sicher ein gut Wort mitzureden, auch wenn das nach außen nicht durchscheint. Das Dorf macht einen stellenweise talmihaft heiteren Eindruck.
Ernstere Gefahren drohen im Asproponte aufgrund Orientierungsverlust auf den verwundenden Wegen, die abseits der Haupterschließungsstraße oft mangelhaft beschildert und erschlossen sind.
Man kann auch GPS-Benutzern nur anraten, sicherheitshalber Karte und Kompass dabeizuhaben, insbesondere wenn von der Hauptstraße abgewichen wird.
Kann man durch Plati hindurchradeln?
Ich habe es nicht gemacht - vor allem aus Gründen der Routenplanung. Aber nach meinen Erfahrungen habe ich keinerlei diesbezügliche Bedenken mehr, daß man dort als Radler nicht auch so freundlich aufgenommen wird wie in den anderen Dörfern auf meiner Strecke im Aspromonte (gemischt in Gambarie).
Von einem Kriminaltourismus nach San Luca würde ich hingegen strikt abraten - ich glaube, die wollen nicht gern besichtigt werden. Das Örtchen liegt abgeschieden in den Wäldern.
Die Aktivitäten der 'Ndrangheta finden, wie manchmal feststellbar, ohnehin völlig woanders im Ausland statt. Man darf daher annehmen, daß die ungemütlichsten Angestellten sowieso nicht zuhause sind.
Man sollte aber insbesondere in den Provinzhauptstädten nicht mit teuren Sachen herumprotzen. Wer das zu seinem jugendlichen Lebensgenuß unbedingt machen muß, sollte sich nicht wundern, wenn Bedürftige sich ihrer bedienen.
Ein Tourenrad gilt in Süditalien immer noch als Armenfahrzeug und ist schlecht verhehlbar, aber ein grelles Angeberrad mit goldenen Applikationen wird schon Liebhaber finden.
Nichtsdestotrotz ist es nicht nötig, die Wirtinnen damit zu quälen, eure Räder im Speisesaal unterzubringen, oder euern Schatz mit ins Zelt zu zerren. Mein Armenfahrzeug parkte ich über Nacht unbehelligt auf der offenen Straße, am Flughafen in Sant'Eufenia ausnahms- und freundlicherweise im Vestibül der Hotelrezeption.
Wahre Bedrohungen erwachsen aus der mitunter mangelhaften Verkehrsdisplin, sowie aus gefährlichen Straßenschäden innerorts. Siehe Abschnitt 'Straße'.
Gefährliche Tiere
Gelegentlich schrecken den interessierten Radfahrer Berichte von freilaufenden Tieren in Süditalien auf. Werden sie seinen Weg kreuzen und was dann tun?
Tatsächlich findet er die Fauna des Landes zunächst einmal eher festgefressen auf den Asphaltbändern in unterschiedlichen Stadien der Vergängnis. Es gibt nämlich niemanden, der die plattgewalzten und daher nicht mehr so renitenten Tiere von der Fahrbahn klaubt. Das erledigen manchmal aber wiederum darauf spezialisierte Tiere.
Man findet so äußerst fette Ratten, Völkerschaften an Katzen, sogar Hunde, nicht ärmliche Schlangen, Igel, Kröten u.v.a.m.
Neben der Fahrbahn im Buschwerk gibt es auch noch totgefahrene Schafe, Ziegen und anderes Großvieh.
Der Geruch der Straße ist dem Radfahrer in Kalabrien auch der Geruch der Verwesung.
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An lebenden Tieren auffällig und beliebt sind neben Katzen oftmals Hunde. Das Anschlagen der Hofköter begleitet den Radler die ganze Reise über.
Nachts gibt es insbesondere in den Kleinstädten oder Randlagen stundenlanges Hundekonzert aus hundert Kehlen.
Wildlebende Hunde gibt es auch im südlichen Kalabrien meiner Beobachtung nach kaum. Diese sind ohnehin ungefährlich und submissiv.
Auffällig dagegen sind die aufgeweckten radfahrerfressenden Hunde, die üblicherweise in Häusern bei Frauen gehalten werden.
Ist der Radfahrer gewittert und erdreistet er sich, auf ihr Zuhause zuzuhalten, rasen solche meist in Taschenformat gehaltenen Untiere aus der Einfahrt und gehen dem arglosen Pedalisten kläffend in die Kurbel.
Soweit so bekannt aus der Heimat.
Wenn es nicht sowieso grade bergab geht, ist es das Beste, einfach anzuhalten. In der Regel kriegen die kleinen Beisser durch das Aufbauen und Gegenhalten des Feindes so einen Schreck, daß sie sofort schreiend davonrennen.
Auch mancher größere Hofhund, der frei umherläuft, macht ein Theater. Aber in keinem Fall hatte ich einen Angriff auf meine Physis. Die mir gegenübertretenden größeren Köter waren so erzogen, daß sie auf dem Grundstück stehenblieben, obwohl sie nicht angeleint waren.
Wirklich gefährlich wirkende Hunde waren auf meiner Fahrt überall eingesperrt oder angekettet. Es soll nicht überall so sein!
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Einmal hatte ich dennoch eine Begegnung mit einem echten Menschenfresser:
Auf der breiten Küstenstraße am Ionischen Meer in einer kleinen Ortschaft, wo mangels Autostrada der ganze Fernverkehr durchgeht, gab es etwa 50 Meter vor mir einen Aufruhr. Die Straße war voll von schnellfahrenden LKW und Kleinwagen. Außerdem Leute. Ein schwarzer Köter in der Statur eines Rottweilers tobte mitten auf der Straße rum, schrie und versuchte alle Autos und Leute zu fressen. Ich nahm schonmal meine Waffe zur Hand, denn das Tier war nur noch einige Meter vor mir. LKW schlingerten hupend an den Fahrbandrand. Menschen schrien. Vor mir ein ordentlicher Knall und panisches Aufheulen der Bestie. Volltreffer. Obwohl das Auto vorn durch den 40-kg-Brocken schwer beschädigt war und eine Menge Plastikteile auf der Straße rumlagen, fuhr der Fahrer ohne zu bremsen weiter, das scheint dort das Normale. Der Hund, noch nicht ganz am Ende seiner Lebensbahn angelangt, heulte, daß Gott erbarm und flehte um sein Leben. Ich dankte der Jungfrau Maria für das zeitige Ersenden des Drachentöters und gedachte mit Genugtuung des Wurms, der sein gerechtes Schicksal gefunden hatte.
Da stürzte auch schon eine Magd herbei, der der schreckliche Köter wohl dienstbar war und weinte bitterlich um ihren lieben Bespringer. Passanten zogen seinen Kadaver von der Fahrbahn, damit er durch nachfolgende Kraftwagen nicht allzusehr außer bestattungsfähiger Form gebracht würde.
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Unerzogene, gewalttätige Schoßhunde - sie sind typisch für das hundeverrückte Süditalien und die wirkliche Hundegefahr.
Im Frühjahr 2009 wurde eine junge Deutsche am Strand an der sizilianischen Südküste von einer Rotte Zwingerhunden zerrissen. Soweit man erfuhr, überlebte sie.
Nun die bange Frage des Radfahrers: Was mache ich gegen menschenfressende Hunde? Wie werde ich nicht gefressen?
Das Wichtigste ist, stark zu sein und dem Hund oder der Rotte entschlossen entgegenzutreten - wohlgemerkt nur bei angreifenden Tieren, ansonsten darf man auch den süditalienischen Hunden mit Nächstenliebe begegnen.
Um das eignene Ego zu stärken, sollte man eine Waffe mitführen, die sich spontan gegen das Tier einsetzen läßt. So muß man sich nicht darauf verlassen, das Tier zu beschimpfen oder seinen Körper durch das vorgeschobene Rad zu vergrößern. Den Hund anschreien hilft allerdings schon beachtlich.
Als Waffe wird oft Pfefferspray empfohlen. Man kann es dabei haben, um sich selbst stark zu machen, in der Praxis ist es allerdings schwer gegen Ziele wie angreifende Hunde einzusetzen, und man kann sich auch sehr gut selbst außer Gefecht setzen, wenn man es verkehrtrum hält oder der immer vorhandene Wind bläst es vom Hund zum Menschen.
Außerdem ist die Einfuhr per Flieger problematisch, d.h. verboten. In Italien ist es kaum erhältich. Das Zeug ist dort apothekenpflichtig, aber die Apotheken führen es nicht, weil es keiner braucht, weil die Hunde so lieb sind, weil es mir die Apothekerin so gesagt hat.
Eine wirksame Methode, sich böser Hunde zu erwehren und gleichzeitig an persönlicher Stärke zu gewinnen, ist eine gute Trillerpfeife - kein Faschingsartikel, sondern das Ding, womit ihr vom Verkehrpolizisten angepfiffen werdet.
Ich hatte den Triller immer griffbereit am Lenker. Kein Hund mag es, wenn er damit 100 Dezibel auf die Ohren kriegt. Auch die gesamte Umgebung ist damit sofort alarmiert. Gebraucht habe ich sie einige Male, um die Straße freizukriegen. Weitere Konflikte ließen sich waffenfrei lösen durch entschlossenes Drohen.
Wurfsteine, mit denen ich auf hundegefährdeten Abschnitten mein Rad beschwerte, erwiesen sich als unnützer Ballast.
Aufsehenerregend war meine bunte Pistola ad Acqua, die ich in einem Revolverhalter an der Lenkertasche einsatzbereit hielt, um angreifende Tiere mit warmem Wasser zu beträufeln. Auch dies ein unnötiges Unterfangen
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Eine weitere noch erwähnenswerte Spezies an Hunden sind die weißen Hütehunde der Schäfer. Sie haben recht unterschiedliche Temperamente und können kuschelweich sein. Haben sie aber vom Schäfer einen Sperrauftrag, lassen sie euch mit dem Rad nicht weiterfahren. Wenn ihr versucht, trotz Sperre weiter in Richtung Herde zu fahren, riskiert ihr einen Warnbiss. Hütehunde sperren die Straße oft zu zweit. Sie liegen zunächst nicht sichtbar ein Stück abseits. Mit der Trillerpfeife signalisiert ihr den Viechern, daß ihr euch nicht vor ihnen fürchtet und dem Schäfer oder Bauern (manche Hütehunde hüten gar nichts, sperren aber trotzdem die Straße aus Langeweile), daß er seine Großen zurückpfeift. Das funktionierte auch immer ausgezeichnet.
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Gottseidank gibt es in Kalabrien eine übergroße Zahl freundlicher Haushunde. Manche bellen gar nicht und suchen gleich die Freundschaft des Neuankömmlings. Andere schlagen zwar etwas an, sind aber sofort sehr lieb. Die meisten bewegen sich unangeleint und selbständig. Ich hatte sehr sehr nette Hunde, die auch so gepflegt waren, daß man keine Angst haben musste, sie anzufassen.
Die weitere Fauna:
Viele Tiere, die wir von zuhause aus Ställen kennen, kullern in Kalabrien frei über Straße.
Dazu zählen fette Schweine ebenso wie Ziegen und viele Kühe. Gegen Kühe gibt es dort nirgendwo Elektrozäune. Kühe machen auf der Straße üblicherweise von selbst Platz, meist recht lethargisch. Wenn sie euch anmuhen, ist es nicht böse gemeint. In Italien werden die Bullen mit den Kühen geweidet. Da die Kühe ein mikroskopisches Euter haben - die Milch ist 3x so teuer wie in Deutschland -, kann man den Bullen manchmal erst erkennen, wenn man schon an ihm vorbei fährt. Es war nicht zu bemerken, daß auf der Straße stehende Bullen speziell etwas gegen Radfahrer hätten. In anderen Landesteilen Italiens empfand ich das Weidevieh als agiler.
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Im übrigen sind viele der auf der Straße tot darniederliegenden Wildtiere mit etwas Glück auch lebendig auf derselben zu beobachten. Fette Vipern sah ich manchmal über die Straße flitzen - leider sind sie schüchten. Wenn ich meinen Fotoapparat fertig hatte, waren sie schon wieder in Deckung.
Und natürlich ist ganz Kalabrien voller freundlicher großer Eidechsen.
Erlöser und Jungfrau Maria
Beide in Süditalien an jeder Ecke zu finden, und die Bevölkerung läßt nichts auf sie kommen.
Von Gott, dem Herrn, ist dagegen wenig zu sehen. Statt seiner übernehmen die Heerscharen Heiliger den Straßendienst der christlichen Liebe.
Heilige Mutter Gottes, schütze uns! Sie ist die wichtigste Verbündete des Italien-Fahrers.
Wo sie sich zeigt, gibt es Schatten in der Wüste, gutes Wasser und ein Bänklein. Manches mal auch den dringend erwarteten Richtungswegweiser. Auf jeden Fall immer frische Blumen.
Menschen kommen herbei, erkundigen sich nach uns, spenden Obst oder einen Segen für unser gutes Fortkommen
La Madonna - ihr werdet sie in Italien noch zu schätzen wissen und sie wird die gute Mutter eurer Radtour sein.
An dieser Stelle einen herzlichen Dank in die himmlische Herrlichkeit!
Auch 'Il Redentore' läßt sich nicht lumpen.
Wo er aufgebaut ist, ist gut sein: ein schöner grüner Ort mit hübscher Aussicht, unterhaltenem Sitz.
In Kalabrien wie auch anderswo im Mezzogiorno glauben auch alle jungen Menschen fest an das Heilige, welches daher einen erheblichen Zeitteil ihres Daseins beansprucht.
Alle Kirchen sind nicht nur am Sonntag voll. Die Gesänge werden vielfach in der Art eines Minaretts mit Preßluftlautsprechern vom Kirchturm ins Freie übertragen.
Heilige stehen in Kunststoffausführung, aber auch in Bronze zur Anbetung auf Plätzen bereit, umgeben von allzeit opulenten Schnittblumenarrangements. Daneben gibt es lauschig abgelegene Heiligenplätze, die oftmals die einzig öffentlich zugänglichen in der Landschaft sind, ohne Stachelgedrahte.
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