Kilometertabelle:
Bad Ragaz - Chur - Disentis 95,5 km
Disentis - Passo del Lucomagno (Lukmanierpaß) - Bellinzona - Maccagno (Lago Maggiore) 124 km
Veloroute 2 Chur-Disentis:
Bald nach Chur ist es aus mit dem Flachlandradeln. Die No. 2 scheucht einem in mehreren saftigen Anstiegen ganz schön durchs Gebirge.
Da die ausgeschilderte Route streckenweise nichts mehr als ein Bergweg ist, kann der Eilige ohne weiteres auch auf die Kantonsstraße am Rheintal ausweichen. Der Verkehr ist nicht so tragisch, die Zeitersparnis dagegen hoch.
Ich rate angesichts der unvermeidbaren Paßfahrt, aber auch, weil die Strecke einfach fantastisch ist, dennoch der Signalisation zu folgen und sich an den Steigungen etwas abzuarbeiten.
Der erste Gewaltanstieg nach Versam ist zuerst spektakulär aussichtsreich in die Rheinschlucht und eine erste Alpenprobe. Ein runder Fleck in der Kartendarstellung der Straße entpuppte sich als Schraube senkrecht überanderliegender Serpentinen, die beim Anstieg gnadenhalber durch etwas Baumbewuchs verborgen bleiben. Ich ahnte nicht, was sich da versteckte und versuchte erst, das Ding bis ganz oben auszufahren, was auch fast gelang.
Furchtsame können das auch schieben. Nur Ausflugsverkehr und das auch ganz langsam.
Wegen eher wanderwegartiger Wegstrecke und außerdem ständigem Auf und Ab kommt man zwischen Ilanz und Disentis viel langsamer vorwärts als zuvor. Max. 7 Kilometer pro Stunde rechnen !
Einmal nach dem Kraftwerk Tavanasa ist der schlechte Weg entschuldigend vorangekündigt, allerdings nicht in aller Drastik. Das beladene Tourenrad muß an die 15, 20 % happige Schrägen runtergeschoben werden mit losem, steinigem Belag.
Danach folgen auf der Route 2 noch drei ganz herbe lange Anstiege bis Disentis Stadt.
Nur auf der Kantonsstraße vermeidbar, die man dann schon ab Trun nehmen sollte, aber die muß ja auch irgendwie auf 1140 Meter rauf, nur nicht so wellig wie der Radweg.
Ich selbst scheiterte fast an Wegsperren wegen Schießveranstaltung (die Örtlichen machen dann allen Ernstes den Hauptradweg dicht, wer weitergeht, wird erschossen).
Die Ballerei - einer der Lieblingszeitvertreibe der Schweizer, man merkt den Instinkt des wehrhaften Bergvolks. Geballert wurde übrigens während meiner gesamten Schweizbefahrung fortwährend in allen bereisten Gegenden. Empfindliche Menschen meiden daher die Schweiz!
Jedenfalls mußte ich von wüsten Schüssen begleitet todesmutig mein zerlegtes Rad durch einen ausgetrockneten Murenabgang tragen und wieder zusammenbauen, um überhaupt irgendwo anzukommen, was dann dank solchen Einsatzes im letzten Tageslicht auch gelang.
Das Camping Disentis liegt am Rhein 100 Meter unterhalb der Stadt an der Strada Lucomagno. Es ist schlecht ausgeschildert und ohne den ebenso 100 Höhenmeter hohen bösen Anstieg zur Stadt vom Rhein her, aber von einer anderen Seite aus, nicht erreichbar. Mußte ich schieben, denn ich konnte nicht mehr.
Dafür bietet der bestens ausgestattete TCS-Platz wirklich alles, was der Radler vor einem Paßanstieg braucht, so eine Art Oase. Entgegen der ersten Befürchtung war es Ende August nachts noch recht mild (so 13°), der Platz liegt geschützt.
Leider etwas laut und direkt an der auch nachts befahrenen Paßstraße gelegen. Übernachtung: nicht erpresserische 12 Schweizer Franken.
Passo del Lucomagno (Lukmanierpaß):
Über diesen bequemen und doch erlebenswerten Alpenübergang gibt das Net nur wenig her.
Niedrigster Punkt zu Beginn der Paßstraße: Rheinbrücke an Zusammenfluß von Mittel- und Vorderhein, 1075 m. Paß, Nennhöhe: 1915 m laut Schild. Tatsächliche Paßhöhe wegen Straßenverlegung nach Stauseebau: 1975 m, nicht beschildert. Länge bis Ospizio: 20 km.
Der Lucomagno ist demnach nicht sehr viel niedriger als die konkurrierenden benachbarten Alpenpässe San Bernadino (2065 m), Splügen (2113 m), Oberalp (2045 m) und San Gottardo (2109 m).
Aber ein freundlicher, milder Paß, oben nicht so spektakulär, die Auf- und Abfahrt allerdings sehr schön, ein bißchen verwunschen das Valle Santa Maria auf Tessiner Seite.
Der ärgste Anstieg gleich zu Beginn von Disentis ins Nachbardorf Curaglia durch Tunnels mit 10 % Steigung.
Die Tunnels (2x ca. 400 Meter) sind künstlich und natürlich bestens beleuchtet und videoüberwacht. Radfahren gestattet.
Mit dem beladenen Tourenrad (für Paß total ca. 42 kg) fand ich das Fahren im 1. Gang aber zu gefährlich, aufgrund des Raumbedarfs durch Pendeln bei unter 6 km/h und schlechter Einsehbarkeit der Strecke.
Also schob ich ohne schlechtes Gewissen das Radl auf gut benutzbarem Gehsteig.
Für Tunnelfahrten, auch geschoben, montiere ich außerdem einen Diodenblitzer nach hinten (nicht zugelassen, aber sehr hilfreich für den auffahrenden Verkehr, nie Problem mit Polizei gehabt).
Grundsätzlich fahre ich auch mit Licht (beim Schieben nicht), auch wenn sonst alle Radler in Tunnels ohne Licht fahren.
Nie ohne!
Nach Tunnelende gehts zwar erstmal mit 10% weiter, das aber läßt sich gut fahren, wenn man die unbefestigten Steigungen vom Vortag überstanden hat.
Obwohl ich den Paß Sonntags mit viel Ausflugsverkehr fuhr, verhielten sich alle Motorrad- und Autofahrer sowie die Post außerordentlich rücksichtsvoll, und mir wurde im Grunde genommen mit meinen 6-8 Stundenkilometern die volle Fahrspur zugebilligt, obwohl ich nur ca. 1,5 Meter Breite beanspruche.
Der Verkehr war völlig unproblematisch.
|
Es geht durch das sanfte Hochgebirgstal Val Medel zum Stausee einer der Rheinquellen. Die Straße ist stellenweise eine Betonpiste. Im oberen, neueren Teil mehrere Lawinenschutzgalerien, nur eine einsame Serpentine. Hier ist der Paß weniger steil, zieht sich aber etwas.
Falls man unterwegs doch stecken bleiben sollte mangels Puste oder wegen Schlechtwetter, besteht durch ein dichtes Netz von Haltestellen und einen recht engen Fahrplantakt jederzeit die Möglichkeit, sich von der Post (Postauto) retten zu lassen für mäßiges Geld. Man kann sich zur Not von der Post ganz durch die Alpen tragen lassen (bis Bellinzona).
Die Postautos sind eher leer, so daß es mit dem Einsteigen und Radverstauen keine Probleme geben sollte.
Mit allen Pausen habe ich für 20 Kilometer dreieinhalb Stunden gebraucht und kam dafür bestens erhalten und gelaunt oben an, nicht überfordert.
Helden mit Rennrad ohne Gepäck nehmen sich dafür etwas mehr als ein Stündchen.
Ich bin mit kurzen Hosen und in Sandalen ohne Socken in Disentis losgefahren, mit leichter Jacke und kurzem Hemd. Über 1800 m brauchte ich dann meinen Pullover (schweres Sweatshirt mit Innenbeflockung).
Ansonsten bin ich mit bloßen Beinen raufgekommen und habe erst oben für die Abfahrt eine lange Überhose (Baumholle) angelegt, ein neues Hemd, Handschuhe, sowie meine Regenjacke als Windschutz.
Von der Paßhöhe kommt man in einer Stunde Schußfahrt bis Biasca (350 m). Recht dramatisch.
Wenn ich lese, daß einige Leute beim Bergeruntersausen wie beim Bobfahren versuchen, die maximal ungebremste Geschwindigkeit zu erzielen, finde ich das allerdings wirklich daneben.
Die Straße ist teilweise völlig zurecht geschwindkeitsbeschränkt.
Ich nehme mir zwar vor, nie schneller als 30 zu fahren, aber auf sehr gut einsehbaren Geraden ohne talseitigen Steilhang lasse auch ich es mal bis 45 km/h schießen. Man sollte es besser nicht tun.
In wenigen Minuten ist man so über 1100 Meter tiefer in Olivone (17 km ab Ospizio).
Den sich hier raufquälenden Kampfradlern zeigt ihr euer breitestes Grinsen, mit all eurer Zuladung.
Bald wird es milder, und man kann die warmen Sachen wieder einpacken.
Bis Bellinzona geht es ganz von selbst und hopplahopp (Stadtdurchquerung Biasca mit ein wenig eigener Kraft)
Bellinzona bis Lago Maggiore
Zum Übergang auf das Ostufer des Lagao Maggiore nutzte ich die Straße nach Locarno am Hang nördlich des Plano di Magadino, was sich als arger Fehler herausstellte.
Sie ist sehr verkehrsreich, ziemlich steil und wellig und im bergigen Teil ohne Radspur.
Man sollte besser den ausgeschilderten Radweg 'Lago Maggiore / Magadino' nehmen, der am Ticino entlang führt.
Auf die Ostseite des Sees fuhr ich auf dem Schnellstraßenabzweig Locarno-Bellinzona über die Magadino-Ebene. Dort gibt es einen sicheren Radweg (nicht immer ganz durchgehend).
Die östliche Uferstraße am Lago Maggiore, Schweizer No. 22, italienische SS 394 bzw 629 ist unter der Woche verkehrsarm und auch ohne Radspur sehr gut zum Radfahren geeignet.
Da in Italien eigene Radwanderbeschilderungen eine Seltenheit sind, wird auf Karten oft diese Uferstraße als Radroute geführt (die verkehrsreichere auf der anderen Seeseite übrigens auch).
Natürlich sind speziell im nördlichen Teil etliche Steigungen enthalten, denn man befindet sich halt im Gebirge.
Die Tunnels bis etwa Luino sind gut beleuchtet und enthalten akzeptable Seitenstreifen. Ich fahre Tunnels immer mit Diodenblitz- und Hauptlicht.
Einige Tunnels lassen sich nach rechts auf der alten Trasse direkt am Seehang umradeln. Davon hat man natürlich mehr.
Der Lago Maggiore bietet neben vielen eher teuren Zeltplätzen auch zahlreiche, oft kostenfreie touristische Einrichtungen wie kommunale Badestrände, Waschgelegenheiten und WCs, Pausenplätze, Uferpromenaden uvm.
Die sollte man nutzen, denn im Verlauf der nächsten Etappe sieht es mit der Infrastruktur für den Radler schon deutlich dünner aus.
Hotelübernachtung in Maccagno, obwohl ich lieber gezeltet hätte (war sehr spät dran sonntags). 40 € Radfahrer willkommen.
Karten Tessin- Lago Maggiore
Ab Disentis weicht man von der Veloroute 2 nach Süden ab, jedoch reichten meine Karten noch weiter fast bis zum Passo del Lucomagno.
Als südlichen Anschluß besorgte ich mir die 'Generalkarte EXTRA, No. 2 Italien Lombardei ', eine Straßenkarte mit besonders vielen Details, M 1 : 200 000. (Entspricht NICHT der Generalkarte 'normal'!)
Die enthält auch viele kleine Fahr- und Fußwege, Wanderwege, detaillierte Höhenangaben überall, und ganz exakt viele Geländemarken, an denen man sich im Zweifelsfall wieder zurechtfinden kann.
Allerdings hat nicht jedes Detail auch wirklich exakt gestimmt, aber es sind so viele 10000e Informationen da drauf, da kann man 100%ige Richtigkeit nicht erwarten.
Wegen der überwiegend fehlenden Radwander-Infrastruktur in Italien sind auch, glaube ich, keine regionalen Radkarten erhältlich.
Die Straßenkarte, die vom Alpenhauptkamm bis fast zum Mittelmeer reicht, war jedoch höchst brauchbar, auch unter dem Aspekt sparsamer Gepäckbeladung, da sie eine große Etappe abdeckte.
Eine kombinierte Wander-/Radwanderkarte 1 : 50 000 für den Lago Maggiore, die ich vorsorglich mitnahm, erwies sich als überflüssig, da die Uferstraße als Durchgangsweg ohnehin nicht zu verfehlen ist.
|